20 Jahre Faust-Festspiele Kronach – Musical-Star Uli Scherbel in der Rolle des Mephisto

Die „Macher“ der Faust- Festspiele Kronach konnten den bekannten und beliebten Musical-Star Uli Scherbel für die Spielzeit 2015 verpflichten. Der gebürtige Kronacher, der im Ortsteil Rothenkirchen aufgewachsen ist, wird anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Festspiele – und somit auch ihres Ursprungsstücks „Faust I“ – die Rolle des Mephisto übernehmen. Das amadeus-Magazin traf den vielbeschäftigten Schauspieler und Sänger Uli Scherbel zu einem Gespräch.

Lieber Uli Scherbel, Sie traten ja 1970 schon sehr spektakulär ins Leben. Woran kann man sich dabei erinnern?

Uli Scherbel: Meine Mutter erzählt mir immer, dass ich im Kreissaal des damaligen Kreiskrankenhauses in Kronach das Licht der Welt als tausendste Geburt erblickte. Sie bekam dafür einen Blumenstrauß und ich darf mich heute noch mit dem Titel schmücken. Schon damals war ich eine kleine Rampensau!

Nach Schulzeit in Kronach und einer ganz soliden Ausbildung als Krankenpfleger haben Sie von 1994 bis 1998 an der Universität der Künste, Berlin – auch ganz solide, von der Pike auf – Schauspiel, Gesang und Tanz studiert. Was hat Sie zur Bühne gezogen – eher einem „unsoliden“ Beruf?

Uli Scherbel: Die Ausbildung zum Krankenpfleger war sehr wichtig für mich. Ich liebe meinen ersten Beruf genauso wie den des Schauspielers. Zumal ich glaube, dass genau die Pflegeausbildung meinen Wunsch Schauspieler zu werden noch verstärkt hat. An keinem anderen Ort erleben wir Menschen, so pur und ehrlich in ihren Gefühlen, wie in Krankenhäusern. Ob Momente des Glücks, oder Momente der Trauer, Wut, Angst oder Freude. Genau darum geht es doch auf der Bühne auch. Um Emotionen wahrhaftig darzustellen, habe ich es bis heute als sehr hilfreich empfunden, auf bestimme Erlebnisse meiner Pflegerzeit zurückzugreifen. Zum Theater kam ich durch viele glückliche Ereignisse. Alles begann mit einem Steptanz-Kurs der mir von meiner damaligen WG in Erlangen 1990 geschenkt wurde. Die Einstiegsdroge für mich ins Theater war also der Tanz. Da mich aber auch Schauspiel und Gesang fasziniert haben, begann ich dann auch mit Unterricht in diesen Fächern. Irgendwann dachte ich, jetzt versuche mal ich eine dieser berüchtigten Aufnahmeprüfungen. Ich bin damals in den Dauernachtdienst und habe mich tagsüber fast ein Jahr vorbereitet. Wenn alle drei Disziplinen verlangt werden, ist die Prüfung umso länger und vielschichtiger. Dann fuhr ich als Oberfranke nach Berlin, sang und tanzte vor. Na ja, und meine Prüfung im Schauspiel, also mein Vorsprechen, war lange Uni-Gespräch, da ich den Moritz Stiefel aus „Frühlingserwachen“ beinhart mit unserem schönen Dialekt vorgesprochen habe, was für mich natürlich astreines Hochdeutsch war. Unter mehreren  hundert Bewerbern bekam ich dann einen von zwölf Studienplätzen, trotz Dialekt, oder vielleicht sogar deswegen. So genau weiß ich das bis heute nicht. Jedenfalls war das Erlernen des Hochdeutschen tatsächlich mein größter Feind. Die Ausbildung an der Universität der Künste war allerdings das größte Glück für mich. Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Studium machen durfte und in allen drei Bereichen ausgebildet wurde.

Schon während des Studiums machten Sie wiederholt von sich reden. 1995 erhielten Sie den ersten Preis beim Bundeswettbewerb Gesang, Musical und bekamen – auch während der „Studierzeit“ – zahlreiche Engagements. In welchen Rollen konnten Sie sich profilieren?

Uli Scherbel: Profilieren würde ich nicht sagen, ich konnte lernen und Erfahrungen sammeln und zwar durch Engagements wie am Bamberger E.T.A. Hofmann Theater im Musical Dracula. Das war noch kurz vor meinem Studienbeginn, dann bekam ich im sechsten Semester eine der Hauptrollen im Musical Hair am Dortmunder Opernhaus und zwar den Claude, und auch am Berliner Ensemble im Mahagonny Songspiel von Brecht/Weill durfte ich eine Rolle übernehmen. Als Student war das super und ich konnte so viel von den Kollegen lernen.

Der große Durchbruch kam – noch vor Abschluss des Studiums – mit der Titelrolle in „Joseph and the amazing technicolor dreamcoat“ am Colosseum-Theater in Essen. Kommt da kein Neid auf, wenn ein Noch-Schauspielschüler mit der Hauptrolle besetzt wird?

Uli Scherbel: Ja, der kam auf. Aber das habe ich damals nicht so mitbekommen, ich war einfach nur glücklich diese Rolle zu spielen. Wobei es eine enorme Aufgabe war, als junger Darsteller die Titelrolle in einer Musical-Großproduktion zu übernehmen. Eine gewisse Naivität war zwar Grundvoraussetzung für den Joseph und die hatte ich im Übermaß. Theater und Neid sind sowieso ein Thema für sich. Aber wie heißt es so schön, Neid muss man sich erarbeiten, Mitleid bekommt man geschenkt.

Sie sind ein sehr vielseitiger Künstler, wie man aus der Breite Ihrer Stücke erkennen kann, in denen Sie auf der Bühne gestanden haben. Vielfach als Hauptdarsteller. Von D’Artagnan in „Die drei Musketiere“ über den Claude in „Hair“ bis hin zu Skimbleshanks in „Cats“ und den Willi Helbing in „Die Drei von der Tankstelle“. Gibt es eine Lieblingsrolle?

Uli Scherbel: Das klingt zwar komisch, aber ich hatte bis jetzt immer das Glück genau die Rolle als Lieblingsrolle zu empfinden die ich eben gerade spielte. In dieser Spielzeit wird’s bestimmt also der Mephisto.

Auch Udo Jürgens wurde auf Sie aufmerksam, als Sie 2008 den Fred Hofmann in seinem Musical „Ich war noch niemals in New York“ verkörperten. Er hat Sie auf seine letzte große Show „Mitten im Leben“ aus Anlass seines 80. Geburtstags eingeladen, die im ZDF live übertragen wurde. Auf seinen Wunsch sangen Sie das „Ehrenwerte Haus“. Wenige Wochen danach ist Udo Jürgens verstorben. Was haben Sie für Erinnerungen an ihn?

Uli Scherbel: Er war ein Mensch mit unglaublichem Charisma und immer währender Liebe zur Musik und dem Theater. Als ich 2008 mit „Ich war noch niemals in New York“ in Hamburg Premiere hatte, kam er nach der Vorstellung in meine  Garderobe und hat mir sehr schöne Dinge zu meiner Darstellung gesagt. Er konnte sich freuen wie ein kleines Kind, wenn er das Musical mit seiner Musik auf der Bühne sah und er hat sich diese Freude und die Spiellust erhalten, was für uns Theatermenschen so wichtig ist. Ich habe es als große Ehre empfunden, dass er mich ausgewählt hat, bei seiner Geburtstagsgala im Oktober letzten Jahres dabei zu sein und neben alle den Showgrößen, wie Chris de Burgh oder Jose Carreras „Ein ehrenwertes Haus“ zusammen mit meinem Bühnenkollegen für ihn zu singen. Noch auf der Aftershow-Party haben wir uns unterhalten und wir hofften auf ein  baldiges Wiedersehen. Ich hätte niemals gedacht, dass er einige Wochen später nicht mehr lebt. Ein großer Verlust für uns alle. Aber ich bin mir sicher, seine Musik ist unsterblich und ich bin sehr froh und glücklich, dass ich mit ihm arbeiten durfte und dadurch seine Lieder noch intensiver interpretieren kann.

Ihre Rollen alle aufzuzählen, in den mittlerweile 20 Jahren Ihres künstlerischen Schaffens, wäre „Eulen nach Athen tragen“. Gibt es eine Rolle, die Sie unbedingt noch spielen wollen?

Uli Scherbel: Mittlerweile ist mein Ehrgeiz einer gewissen Dankbarkeit gewichen, für so viele schöne Rollen. Ich möchte vor allem ein Schauspieler sein, der immer brennt und nie ausgebrannt ist, und die Zuschauer begeistern kann. Das wäre die schönste Rolle.

Dieses Gespräch führen wir ja aus aktuellem Anlass. Sie werden bei den Faust-Festspielen in Kronach den Mephisto spielen. Das Goethesche Drama um Doctor Faustus ist eines der bekanntesten Werke des Dichterfürsten und steht bei vielen Theatern auf dem Spielplan. Auch große Schauspielkollegen haben sich auf Bühne und im Film dieser Rolle des Mephisto angenommen. Von Gustav Gründgens bis Klaus Maria Brandauer. Keine Angst in solch große Fußstapfen zu treten?

Uli Scherbel: Unzählige berühmte Schauspieler spielten Rollen schon vorher, egal ob im Musical oder im Sprechtheater. Ich bewundere die meisten von ihnen, orientiere mich, aber letztendlich muss ich die Rolle in mir finden. Ich habe immer Respekt vor neuen Rollen. Da kommen dann irgendwann der Selbstzweifel, die Euphorie und dann auch die Angst dazu. Mittlerweile nenne ich die drei meine „Kumpel“. Sie helfen mir Energien frei zu setzen, die ich dann hoffentlich auf der Bühne für die jeweilige Rolle nutzen kann. Mephisto sagt z. B. „Du bist doch immer was Du bist!“ Genauso ist es bei uns Schauspielern auch. Also, gibt’s ebenbei mir einen Scherbel’schen Mephisto. Wie der jetzt letztendlich sein wird, dass weiß ich noch nicht so genau. Wir proben ja noch. Ein sehr spannender Prozess, dieses Proben.

Wie werden Sie die Rolle anlegen, als mittelalterlichen Belzebub oder eher als schalkhaften Teufel?

Uli Scherbel: Ich habe in der Rolle weder eine Glatze noch zwei Hörner, noch einen Pferdefuß. Ich will noch nicht zu viel verraten, aber ich habe einen Mephisto in mir und genau den lass ich raus dieses Jahr bei den Faust-Festspielen. Ich würde mich riesig freuen, wenn viele Zuschauer aus der Region kommen, um sich den mal genauer anzuschauen.

Lieber Uli Scherbel, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen viel Erfolg auf der Festung Rosenberg bei den diesjährigen Jubiläums-Faust-Festspielen und freuen uns auf den Scherbel’schen Mephisto.

Das Gespräch führte Herbert Schellberg