Rolf Beyersdorf Der SAMBA Festival Macher
Rund 200.000 Besucher lockt das internationale Samba-Festival jährlich am zweiten Wochenende im Juli in das oberfränkische Coburg. Vor über zwanzig Jahren hatten die beiden Veranstalter und Freunde Rolf Beyersdorf und Christof Pilarzyk die Idee für dieses Festival, das mittlerweile den Ruf hat, das größte Samba-Festival außerhalb Brasiliens zu sein. Im amadeus-Interview erzählt Rolf Beyersdorf, wie die Idee geboren wurde und wie viel Arbeit in den Vorbereitungen steckt.
Herr Beyersdorf, woher kommt eigentlich Ihre Begeisterung für die brasilianische Kultur?
Rolf Beyersdorf: Das führt auf meine Tätigkeit in früheren Jahren zurück. Ich war elf Jahre am Landestheater Coburg im Ballett-Ensemble tätig und dort entdeckte ich auch meine Begeisterung für südamerikanische Tänze und Kultur.
Auf der offiziellen Homepage des Samba-Festivals ist von einer „Schnapsidee“ die Rede, durch welche das Festival ins Leben gerufen wurde. Wie darf man das verstehen?
Rolf Beyersdorf: Was wir nicht vergessen dürfen: Michael Häfner war zunächst auch an dieser Idee beteiligt. Er hat 1986 die erste Sambagruppe „Samba-Colorido“ in Coburg gegründet. Das war in der Zeit, als in Brasilien nach einer jahrelangen Militärdiktatur die Demokratie eingeführt wurde. Genau zu dieser Zeit war ich im Theater im Ballett und Michael war als Schauspieler tätig. Als wir mit „Romeo und Julia“ zu einem Gastspiel in Erlangen waren, kam uns auf der Rückfahrt diese „Schnapsidee“ (war allerdings kein Schnaps sondern Bier). Wir haben uns gesagt „Mensch, hier in Europa gibt es viele Sambagruppen und kleine Sambaschulen, lass uns die doch mal nach Coburg einladen“ und die Idee war geboren, dass wir einige Sambagruppen nach Coburg holten, um zu üben und zu trommeln und um eine Parade durchzuführen. Daraufhin haben wir Christof Pilarzyk als Betriebswirt mit ins Boot geholt und 1991 wurde dann Sambaco gegründet. So ist zunächst das Festival entstanden. 1996 ist Michael Häfner zurück in seine Heimatstadt München gegangen und ist dann 1997 aus der Organisation ausgestiegen.
Das Festival wurde zunächst vom Wohnzimmertisch aus organisiert, wie Sie einmal erzählten.
Rolf Beyersdorf: Ja, Küche oder Wohnzimmer. Es war zunächst wie gesagt viel Spaß. Wir waren alle jung, so Mitte oder Ende 20 und da waren auf einmal 250 Künstler und 20.000 bis 30.000 Besucher in Coburg. Da mussten wir freilich ein paar Sachen planen. Wir hatten allerdings kein Büro, deswegen ging alles von der Küche oder vom Wohnzimmertisch aus.
Gibt es Mitarbeiter, die noch heute von Beginn an das Sambaco-Team unterstützen?
Rolf Beyersdorf: Ja, die gibt es und das ist eine große Seltenheit in Firmen oder bei Festivals, dass wir noch Freunde und Mitstreiter aus dem ersten Jahr dabei haben, die nunmehr mit uns seit 23 Jahren im Boot sitzen und den Samba leben.
Aus wie viel Leuten bestand das Team am Anfang?
Rolf Beyersdorf: Wir waren in der Organisation ein Dreier-Team und dann kamen ein paar Stände dazu, Caipirinha-Ausschank, Kassenpersonal, Leute, die sich um die Unterbringung der Künstler gekümmert haben. Pressearbeit oder Vorverkauf gab es damals noch nicht. Die ersten Jahre war der Eintritt zum Festival auf freiwilliger Basis. Da konnten Besucher Buttons kaufen um uns zu unterstützen oder auch nicht, das war alles. Aber mit den Jahren haben wir gemerkt, dass es ohne Finanzierung nicht klappt. Da wir mittlerweile ein kleines Wirtschaftsunternehmen geworden waren, sollten wir dementsprechend auch mehr einnehmen als ausgeben. Was allerdings mit den Jahren immer schwieriger wird!
Heute sind wir ein großes Team an Mitarbeitern, die allesamt nebenberuflich für Sambaco arbeiten, und jeder hat seine Bereiche. Hier gibt es z. B. die Presseabteilung, den Ticketvorverkauf, die Künstlerische Leitung, die Marktmeisterei, uvm. Es sind ja mittlerweile über 3000 Künstler, die wir unterbringen und verpflegen müssen, da ist im Vorfeld viel Planung nötig. Betonen möchte ich auch, dass das Samba-Festival kein Karneval, sondern ein Musikfestival ist, natürlich mit dem Schwerpunkt Südamerikanische Musik, Tanz und Kultur. In Brasilien hingegen ist es natürlich der Karneval von Rio oder Bahia.
Konnten Sie damals bereits ahnen, dass sich aus Ihrer Idee eines der größten Aushängeschilder der Stadt Coburg entwickeln würde?
Rolf Beyersdorf: Nein, auf keinen Fall, das war ja anfangs auch nicht unser Ziel.
Wann wurde es Ihnen bewusst?
Rolf Beyersdorf: Manchmal ist es einem auch heute noch nicht richtig bewusst, erst wenn man im Ausland ist und auf das Festival angesprochen wird, erkennt man dessen Aussenwirkung. Meine Frau ist ja eine der bekanntesten Sängerinnen Brasiliens und kommt aus Rio de Janeiro, ist also eine waschechte Carioca. Seit 2003 knüpft sie auch im künstlerischen Bereich zahlreiche Kontakte. Sie hat die letzten zehn Jahre das Gesicht des Festivals stark mitgeprägt. Amüsant ist es, wenn sie im Ausland Menschen trifft und mit ihnen ins Gespräch kommt, die in Coburg studiert haben oder zu Besuch waren und die ihr sagen: „Wenn Sie aus Coburg kommen, dann müssen Sie unbedingt mal im Juli zum Samba-Festival gehen.“ Sie entgegnet dann: „Ach, ein großes Samba-Festival? Da schau ich dann auf jeden Fall mal vorbei.“
Im Jahr 2011 wurde das Festival mit dem „Exportpreis Bayern“ des Bayerischen Wirtschaftsministeriums ausgezeichnet. Was bedeutete dieser Preis für Sie?
Rolf Beyersdorf: Der Preis kam überraschend und ist eine sehr schöne Anerkennung der Bayerischen Regierung für das Festival, für das ganze Team, aber auch für die ganze Region. Der Preis hat unser Team sehr stolz gemacht, besonders weil er für „Incoming Tourismus“ verliehen wurde, das heißt, dass das Festival ein starker Magnet ist und viele Gäste nach Bayern zieht. Darüber hinaus hat dieser Preis das Festival zusätzlich toll beworben. Wir sind durch den Export-Preis noch ein bisschen bekannter geworden.
Das Samba-Festival weckt ein großes Interesse bei den Medien. 2012 berichtete sogar die ARD-Staffel „Sendung mit der Maus“ darüber. War dies für Sie ein besonderes Ereignis oder eine Berichterstattung unter vielen?
Rolf Beyersdorf: Das war wirklich super, es war eine große Ehre, das ZDF und ARD zu uns kamen, um über das Samba-Festival zu berichten. Ich selbst bin ja auch mit den Lach- und Sachgeschichten der „Sendung mit der Maus“ aufgewachsen. Man kann den Bericht noch im Internet ansehen. Sie zeigten nicht nur Hintergründe, also zum Beispiel wie man trommelt oder tanzt, sondern Armin Maiwald hat sogar selbst versucht mitzutanzen.
Worin bestehen Ihre zentralen Aufgaben als Veranstalter?
Rolf Beyersdorf: Wir müssen generell viel organisieren, z. B. die Unterbringung der Künstler oder die Belegung der Bühnen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Vergangene Woche haben wir mit dem Ordnungsamt, dem Jugendamt und den Rettungskräften zusammen gesessen und das Konzept für das Festival 2014 erarbeitet. Das Festival ist stetig gewachsen und war nicht von heute auf morgen so groß. Dadurch hatten wir die Chance aus Fehlern zu lernen. Die Konzeptfragen bestehen auch daraus, was passiert am nächsten Festival? Was ist der Inhalt? Welche Topstars kommen? Welche Ehrengäste kommen? Wie sind die Bühnen eingeteilt, gibt es neue Bühnen? Es werden viele Dinge in die Wege geleitet und das muss jetzt im Herbst passieren.
Was bereitet Ihnen an Ihrer Arbeit die größte Freude?
Rolf Beyersdorf: Der Umgang mit Menschen und Musik. Wir setzen uns im Team einmal im Monat zusammen und besprechen anstehende Fragen. Sehr viel Freude macht mir auch der internationale Kontakt. Die Künstlersuche gestaltet sich am Telefon nicht immer ganz einfach. Mal muss man englisch sprechen, dann wieder deutsch, dann französisch oder auch portugiesisch. Diese Vielfältigkeit tut unheimlich gut. Man fühlt sich in dieser Zeit ein bisschen wie in der Mitte von Europa.
Welches war die größte Herausforderung, der Sie sich im Rahmen der Samba-Organisation stellen mussten?
Rolf Beyersdorf: Davon gab es schon einige. 2002 gab es Or- kanwarnung beim Festival, die vom Deutschen Wetterdienst kam und da ist uns empfohlen worden, frühzeitig abzubrechen. Letztendlich war es dann zum Glück nur ein ganz normales Gewitter. Trotzdem muss in solchen Situationen schnell reagiert werden. Eine weitere Herausforderung sind die Hotels in Coburg, die aufgrund des Festivals meistens schon frühzeitig ausgebucht sind. Darum haben wir manchmal Schwierigkeiten Übernachtungsmöglichkeiten für die Künstler zu finden. Deshalb mussten wir auch schon Stars aus Rio in Bamberg oder Masserberg unterbringen.
Beginnen die Vorbereitungen für das darauffolgende Jahr unmittelbar im Anschluss an ein Samba-Wochenende?
Rolf Beyersdorf: Teilweise sogar schon früher. Oft führen wir schon Vorgespräche mit Partnern und mit Managern von Künstlern und Topgruppen aus Brasilien bereits während des laufenden Festivals.
Wie sieht Ihr Tagesablauf während des Festivals aus? Ist das purer Stress oder haben auch Sie Zeit sich zu amüsieren?
Rolf Beyersdorf: Das hat sich sehr verändert. Die ersten Jahre war es viel Party, da bin ich auch mal nachts richtig um die Häuser gezogen. Aber jetzt sieht es so aus, dass es für mich mindestens drei Nächte durchgeht. Da darf man nicht den Fehler machen zu schlafen. Vielleicht mal um sieben Uhr kurz hinlegen, Füße hoch, duschen, frühstücken, um 9 Uhr geht es weiter. Aber die Arbeit macht uns allen sehr viel Spaß, da brennt ein Feuer und wenn das nicht mehr brennen würde, dann würden wir das Festival auch nicht mehr so hinbekommen.
Im Juli 2013 feierte Coburg bereits das 22. Internationale Samba-Festival. Gibt es für Sie ein unvergessliches Highlight aus all den Jahren?
Rolf Beyersdorf: Da gab es schon recht viele! Ein absolutes Highlight war z. B. der Weltrekordversuch im Jahr 2006! Ein weiteres „Gänsehauterlebnis“ war auch das Festival-Ende 1994. Das Festival lief aus und Brasilien wurde gleichzeitig in der Nacht zum Montag Fußball-Weltmeister! So etwas könnte 2014 wieder passieren, weil das Endspiel am 13. Juli ist, die Übertragung hier ist um 21 Uhr auf der Schlossplatzbühne. Mein Tipp: Deutschland – Brasilien.
Und wer wäre Favorit, sollten Sie recht behalten?
Rolf Beyersdorf: Wenn das passiert, dann möge der Bessere gewinnen, das ist klar. Ich denke, dass die Chance, dass das eintritt, gar nicht so gering ist. Das wäre ein Highlight, da würde die Stadt zusätzlich brodeln.
amadeus dankt Rolf Beyersdorf für das Gespräch und wir freuen uns auf das Samba-Festival 2014.