An der Berufsfachschule für Krankenpflege fand ein zweitägiger Literatur-Workshop für dreizeilige Kurzgedichte in Haiku-Form statt. Dabei entstanden viele kleine poetische Kostbarkeiten.
„Viel Probleme da – keiner kann sie dir nehmen – aber du hast Kraft“, „Wirklich allein sein – das ist oft leicht zu sagen – doch schwer zu tragen“, „Das Leben ist schön – manchmal auch hart und schwierig – dennoch ist es gut“: Solche und weitere poetischen Kostbarkeiten entstanden in der nachhaltigen Literaturwerkstatt „Mit Literatur über den Berg“ mit Ingo Cesaro.Bei dem an der Berufsfachschule für Kran-kenpflege bereits seit Jahrzehnten abgehaltenen Projektanimierte der Schriftsteller erneutangehende Gesundheits- und Krankenpfleger zum kreativen Schreiben. Dabei waren die 16 Schülerinnen und sechs Schüler aufgerufen, Gedanken zu ihrem Berufsalltag oder im privaten Bereich, Wünsche und Hoffnungen sowie Sorgen und Ängste in drei-zeiligen Gedichten niederzuschreiben.
Bei den „poetischen Kostbarkeiten“ handelt sich um Senryu – eine Art deutsche Form des traditionellen japanischen Kurzgedichts Haiku. Mit seinen insgesamt 17 Silben – 1. Zeile fünf Silben, 2. Zeile sieben Silben und dritte Zeile fünf Silben – gilt es als kürzeste Gedichtform der Welt. Es gibt keinen Endreim; auf Wortwiederholungen von Substantiven wird ebenso verzichtet wie auf Fremdworte. Gedichtet wird vorzugs-weise in Umgangssprache, sodass auch einmal eine Silbe verschluckt oder ein Füllwort eingesetzt werden kann, um auf die 17 Silben zu kommen. Viele dersehr persönlichen Texte handeln von ihrem Berufs-alltag – so beispielsweise „Kranke brauchen Kraft – durch Freunde, Familie, Liebe – Gesunde haben dies“. Es sind Zeilen voller Wärme und Anteilnahme, mit denen sie ihren Gefühlen ein Ventil geben. Es ent-standen aberauch fröhliche, lustige Texte im privaten Bereich – so unter anderem auch „Oma kann gut backen – bei ihr schmeckt es am besten – so soll es doch sein“.
Zu den 22 Schülerinnen und Schüler des Kurses 55 zählen auch Christian Rosen aus Mitwitz-Steinach, Domenico Gervasi aus Bad Steben sowie Romina Schneider aus Naila, denen die Literatur-werkstatt gut gefallen hat. Alle waren eingangs reichlich überrascht, als kreatives Schreiben auf ihrem Stundenplan gestanden hatte. „Das erwartet man jetzt nicht unbedingt in unserer Ausbildung“, sagt Christian Rosen. Den Literatur-Workshop erachteten die Drei als gelungene Abwechslung vom Schul- aber auch von ihrem Berufs-alltag. „Wir haben schon einen anstrengenden Beruf“, räumt Romina Schneider ein. Daher seien sie froh, zwei Tage lang mal etwas komplett anderes zu machen, obwohl sie ihren Beruf sehr gerne mögen und ihn auch nach der Ausbildung weiter ausüben wollen – am liebsten weiter in der Helios-Frankenwaldklinik in Kronach. Die Drei hatten eingangs so gar keine Vorstellung davon, was sie erwarte. Aber wenn man – so Domenico – erst einmal in diese besondere Gedichtform hineingefunden habe, gehe es dann immer besser.
Solche Aussagen hört Cesaro oft. „Die jungen Leutegenießen es, bei dieser Spracharbeit locker und gelassen, ohne Zeit- und Notendruck ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen“, zeigt sich der Kulturvermittler, der als einer der bekanntesten Haiku-Publizisten im deutschspra-chigen Raumgilt, sicher. Es seien wieder viele wunderbare Gedichte dabei herausgekommen – durchschnittlich sechs Haiku pro Schüler/in.
Die Literaturwerkstatt gliedert sich in zwei Teile. Am Mittwoch erfolgte das methodische Vorgehen nach einer theoretischen Einführung mit Wortkarten. Die Aufgabe besteht darin, aus diesen einen Haiku nach dem vorgegebenen Silbenrhythmus zusammen zu stellen. Als zweiter Schritt erfolgt die Ergänzung von zwei vorgegebenen Zeilen mit fünf eigenen persönlichen Silben. Diese Kurzgedichte sind die einzige lyrische Form, die einen aktiven Leser oder Zuhörer verlangt. „Die Konzentration auf das Wesentlich hilft auch im Alltag, wenn wir uns da auch auf das Wesentliche beschränken“, verdeutlicht Cesaro. Anschließend ging es um Verfassen eigener Haiku – sowohl privater als auch beruflicher Natur. Nach anfänglichem Zögern entstanden meistens eine Handvoll dieser Kurzgedichte. „Um eine Geschichte, Beobachtung, eine Erinnerung oder ein Erlebnis konzentriert in 17 Silbern zu verfassen – Dazu bedarf es schon einiger Übung“, weiß Cesaro. Hinz komme, dass heute an vielen Schulen kaum noch Spracharbeit stattfinde. Umso höher sei es zu bewerten, dass es den Literatur-Workshop nun schon seit Jahrzehnten an der Berufsfach-schule gebe. „Das ist sicherlich einmalig“, zeigt er sich ebenso wie Matthias Lau, Leiter der Berufsfachschule, entsprechend stolz und auch immer wieder erstaunt über die hochwertigen Ergebnisse.
Der zweite Teil nach der Kopfarbeit ging am Donnerstag mehr in Richtung Handarbeit. Die Haiku wurden mit dem Computer erfasst, als Plakatgedichte gestaltet, auf Din A4 ausgedruckt und mit dem Kopie-rer auf A3 vergrößert sowie auf farbiges Papier kopiert. In dieser Form werden die Gedichte in der Galerie des Landratsamts sowie als „Weg der Poesie“ im Eingangsbereich der Helios-Frankenwaldklinik ausge-stellt sowie anschließend als Wandgestaltung in der Berufsfachschu-le. Zudem wurden die Haiku auf A5 verkleinert und auf unterschied-lich grünem Papier ausgedruckt und anschließend für den „Poesie-baum“ einlaminiert, der auch heuer wieder vor dem Kronacher Kran-kenhaus errichtet wird. Daran werden die einlaminierten Blätter, vorne und hinten mit einem Gedicht bedruckt, baumeln.
Obwohl ja am ersten Tag nur vier Unterrichtsstunden zur Verfügung standen, verfassten die Schüler/innen und Schüler wirklich erstaun-liche Ergebnisse. Sicher zeigte sich Cesaro, dass die Gedichte später außerhalb des Schulgebäudes große Beachtung finden werden.