Wenn noch keine Bühnentechnik steht, die Künstler vielleicht gerade von weit her anreisen und das erste Publikum noch Stunden auf sich warten lässt – dann macht Klavierbauer Michael Schulze seinen Job. In der Regel im Vorfeld großer kultureller Veranstaltungen – wie in der Spielzeugstadt an den Jazztagen oder zum Neujahrskonzert – kommt er mit seinem Werkzeugkoffer und seiner Tasche in den stillen Rathaussaal, um den Flügel vorzubereiten. Jeder Ton muss sitzen, kein Pedal darf quietschen, der schwarze Lack soll ohne Fingerspuren im Scheinwerferlicht glänzen.
Genau dafür sorgt der Saalfelder mit seiner Firma PianoPunkt. Er überprüft Saiten und Hämmer, säubert das Instrument und spielt es für die Künstler ein, formt den Klang aus „damit am Ende ein runder Gesamteindruck entsteht“. Seit fünf Jahren betreut Michael Schulze den Flügel im Rathaus. Auch die Musikschule in Sonneberg oder das Theater in Rudolstadt greifen gern auf ihn zurück, wenn es um die Expertise des Klavierbaus geht. Denn den hat das gebürtige Nordlicht von der Pike auf gelernt.
Angefangen hat aber alles zunächst mit dem Klavierunterricht in Stralsund bei einem Lehrer aus Bad Berka, der Michael Schulze schließlich bis zum Klavierstudium an die Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar und zu seinem musikalischen und pädagogischen Abschluss führt. Den Handwerksberuf Klavier- und Cembalobauer schließt er an bei der renommierten Bayreuther Klaviermanufaktur „Steingraeber & Söhne“. Wie sich herausstellt, eine Top-Kombination, denn: „Ich verstehe, von was die Künstler sprechen, wenn sie keine Klavierbauer sind.“
Michael Schulze sprüht vor Begeisterung, wenn er von seiner Arbeit spricht: „Ich bin jeden Tag damit beschäftigt, etwas zu verschönern.“ Der 54-Jährige legt oft lange Strecken zurück, um seine Kunden zu bedienen. Dabei schaut er nicht wirklich auf die Uhr, denn eine 50- bis 60-Stunden-Woche gehören für ihn zur Normalität. Auch zu arbeiten, wenn andere vielleicht feiertags oder am Wochenende ins Konzert gehen, ist für ihn kein Problem. „Jammern ist nicht. Ich habe sehr viel Abwechslung in meinem Beruf, betreue vom kleinen DDR-Klavier, über Rentner- und Kinderinstrumente bis hin zum hochwertigen Konzertflügel alles und bin immer nah dran an der Kulturszene.“ Oft bleibe er sogar noch während der Veranstaltung da, um genau zuzuhören und das Ergebnis des Stimmens erleben zu können. Kontakte pflegt er auch ins oberfränkische Grub am Forst, wo seit Jahren sein wichtigster Zulieferbetrieb für Material und Spezialeinkäufe sitzt – die Firma Jahn-Pianoteile.
Den August-Förster-Flügel im Rathaus mag Michael Schulze gern: „Sonneberg hat damals nach der Wende mit diesem Instrument aus Löbau in Sachsen eine sehr gute und nachhaltige Entscheidung getroffen. Nach mehr als 30 Jahren ist das Instrument immer noch konzertfähig, wurde regelmäßig gewartet und gestimmt, ist mit einem Klimagerät ausgestattet und voll einsetzbar“, lobt er. Auf die Raumtemperatur werde in Sonneberg ebenso geachtet wie auf den streng limitierten Zugang zum Flügel. „Wenn das alle so vorbildlich machen würden“, wirft der Klavierbauer ein.
Was den Flügel im Rathaussaal besonders kennzeichnet? Er habe typisch für Flügel aus dem Traditionshaus Förster die sattesten Bässe in der Produktpalette deutscher Fabrikate. Sein runder, satter, weicher Sound passe vor allem zum Jazz. Durch seine flüssige Spielart werden die Künstler selbst bei längeren Konzerten nicht müde, weiß der Profi: „Deshalb kann Sonneberg punkten, auch wenn kein Steinway auf der Bühne steht.“
TIPP: Das Neujahrskonzert mit Pianist Christoph Soldan und den fünf Streichern der Schlesischen Kammersolisten im Rathaussaal der Stadt Sonneberg findet am 1. Januar 2024 um 17 Uhr statt. Karten für 16 Euro und 14 Euro (ermäßigt) gibt es an der Abendkasse im Rathaus, Einlass ist ab 16 Uhr. Eine telefonische Reservierung der Karten ist telefonisch möglich unter: 03675/880-182. Mehr Infos unter: www.sonneberg.de