Peter Wicklein – ein Leben für den Jazz
Die 27. internationalen Sonneberger Jazztage finden in diesem Jahr vom 14. bis 18. November statt. Aus der Taufe gehoben wurde das Festival der Jazz- und Gospelmusik anlässlich des 15. Geburtstags der Sonneberger Band „Jazz Optimisten“ am 29. November 1986. Band-Gründer und seit Beginn an treibender Motor ist der heute 79-jährige, künstlerische Leiter Peter Wicklein aus Sonneberg. Im amadeus-Interview verrät er, woher er seine Kraft und Motivation schöpft und wie er zu seiner Leidenschaft der Jazzmusik fand.
Herr Wicklein, woher rührt eigentlich Ihre Begeisterung für den Jazz?
Peter Wicklein: In den 50er Jahren haben wir trotz Verbotes den amerikanischen Soldaten-Radiosender AFN (American Forces Network) gehört. Seine Musik und die lockere Art Radio zu machen, war in der Nachkriegszeit stilbildend für die junge Generation, die das deutsche Radioprogramm eher als langweilig ansah. Das Musikradio AFN transportierte ein ungezwungenes, optimistisches Lebensgefühl und verfügte über eine magische Anziehungskraft. Es brachte uns Deutschen den von den Nazis verbotenen Jazz und Swing zurück. Mich und einige meiner Freunde hat diese Musik so stark inspiriert, dass der Wunsch entstand, selbst einmal als Akteure in dieser Richtung tätig zu sein.
Und wie hat sich Ihre musikalische Laufbahn entwickelt?
Peter Wicklein: Ich nahm Geigenunterricht bei einem Lehrer des damaligen Kulturorchesters Sonneberg. Dieser inspirierte mich dazu, die professionelle Laufbahn einzuschlagen. Also habe ich in Weimar ein Studium als Orchestermusiker aufgenommen und wurde u. a. Geiger im damaligen Kulturorchester Sonneberg. Mitte der 1980er Jahre fiel die Stelle der landesweiten Streichung zum Opfer, weil es zu viele professionelle Sinfonie- und Theaterorchester gab. Mit Musikfreunden hier aus dem Sonneberger Raum habe ich mich nebenbei dem Jazz gewidmet.
Die Jazz Optimisten hatten eine sehr lange Erfolgsgeschichte und daraus entwickelte sich am 15. Jubiläum der Band auch die Sonneberger Jazz-Nacht. Wie ging es danach weiter?
Peter Wicklein: Der damalige Generaldirektor des Spielzeugkominates hatte ein großes Herz für Musik und Kultur. Eines Tages überraschte er mich mit der Frage, was ich denn zum 15-jährigen Jubiläum meiner „Jazz Optimisten“ machen wolle. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht vorgehabt, etwas Großartiges aufzuziehen, weil in Sonneberg das „Feld dafür noch nicht bestellt“ war. Hier dominierte traditionell gute Blas- und Volksmusik.
Der GD war anderer Meinung: Ich solle doch bitte die Bedürfnisse unserer Menschen hier in der Region nicht unterschätzen. Als mein Arbeitgeber wies er mich an, innerhalb von 14 Tagen eine künstlerische Konzeption für einen Festtag anlässlich des Jubiläums zu entwickeln und befreundete Gruppen dazu einzuladen. Ich gebe zu, ich war sehr skeptisch. Trotzdem folgte ich der Anweisung meines Chefs und dann bewahrheiteten sich meine schlimmsten Befürchtungen. Bis zwei Tage vor dieser Veranstaltung im Jahre 1986 waren lediglich 16 Karten vorverkauft. Ich war ratlos, der Generaldirektor nicht. Das Grenzregiment musste aushelfen! Den Wehrpflichtigen wurde befohlen zum Konzert zu gehen. So wurde der Saal gefüllt und die Soldaten hatten einen Riesenspaß. Der Erfolg der Veranstaltung machte die Runde, daraufhin wurde entschieden: Wir organisieren das ab jetzt jedes Jahr. Das war die Geburtsstunde unseres Festivals.
Als Gründer der Band Sonneberger Jazz Optimisten, als künstlerischer Leiter und jahrelanger Mitorganisator des Festivals waren und sind Sie stets eine treibende Kraft. Woher nehmen Sie die Energie und Motivation für all Ihr Engagement?
Peter Wicklein: Das ist ganz einfach. Musik und besonders der Jazz hält jung. Ich habe eine Aufgabe und diese Aufgabe macht mir Spaß, bringt mir Freude und gibt mir Kraft. Anders wird das nichts. Und wenn man dann so tolle Verbündete hat, wie ich sie habe, ist es noch besser. Es sind Gleichgesinnte und wir wirken Hand in Hand. Das „Wir“ spielt dabei die Hauptrolle, gleichermaßen die Zusammenarbeit mit den Medien und Sponsoren.
Dank Ihrer harten Arbeiten ist die Kulturveranstaltung heute von so überregionaler Bedeutung. Mit dem Kulturpreis zeigte die Stadt Sonneberg im November 2011 ihre große Anerkennung. Welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für Sie?
Peter Wicklein: Natürlich habe ich mich sehr über die Verleihung dieser Auszeichnung gefreut, sie ist ja bisher nur zweimal verliehen worden. Der andere Kulturpreis ging 2003 an den ehemaligen Ministerpräsidenten von Thüringen Dr. Bernhard Vogel. Ich empfinde diesen Preis nicht als persönlichen Erfolg, sondern als Anerkennung für all die ehrenamtlichen Tätigkeiten des Gremiums. Ich betone: Es sind alles Leute, die in ihrer Freizeit Aufgaben übernehmen, wie etwa Plakate aufzuhängen oder Karten abzureißen, damit das Festival gelingt und zu einem Erfolg wird.
König des deutschen Jazzschlagers, Götz Alsmann, präsentiert sein Album „In Paris“ mit seiner Band bei den internationalen Sonneberger Jazztagen. Auch in den vergangenen Jahren waren immer wieder musikalische Größen als Stargäste mit dabei. Was macht das Festival für solch erfolgreiche Musiker so attraktiv?
Peter Wicklein: Das ist auch eine Geschichte, die wie ein Motor wirkt. Sonneberg ist durch eine besonders sorgfältige Vorbereitung in dieser Richtung bekannt geworden. Die Leute kommen an, sie haben meist eine sehr lange Anreise hinter sich, werden also erst einmal anständig begrüßt, da muss es nach Kaffee riechen, da müssen Würstchen da sein, damit sie erst einmal etwas zwischen die Zähne bekommen. Sie müssen sich wohlfühlen können. In der Garderobe liegen frische Handtücher, Kühlschrank, Dusche – alles ist vorhanden, auch spezifische Catering-Wünsche werden erfüllt. Das sind Dinge, die für uns dazugehören. Die richtige Organisation kombiniert mit der Gastfreundschaft – das macht es aus und spricht sich dann eben auch in den Künstlerkreisen herum.
Warum sollten Leute das Festival auch in diesem Jahr auf keinen Fall verpassen?
Peter Wicklein: Wir haben viele neue Dinge, auf die sich Besucher in diesem Jahr freuen können. Unter anderem gibt es zum ersten Mal den Workshop „Jazz for Kids“, speziell für Kinder der Klasse1-4 an der musikalischen Grundschule Wolkenrasen. Hier können Kinder dieser Schule in der Wolke 14 einen ganzen Schultag lang selbst aktiv Musik machen.
Auch unser Gospelworkshop „The Gospels of Aretha“, wo junge Sänger vom wohl besten Gospel-Pianisten Europas, Niko Schlenker, animiert und vorbereitet werden, ist eine einmalige Erfahrung für alle Teilnehmer. Dass viele der Workshop-Teilnehmer in seinen Workshops zum ersten Mal Bühnenluft schnuppern, ist ihnen nach der hervorragenden Vorbereitung kaum anzumerken – auch nicht, wenn sie zum ersten Mal ein Solo-Mikrofon in der Hand haben und voller Leidenschaft den Song zu „ihrem Song“ machen. Als Vocal Coach unterstützt Niko in diesem Jahr Dorrey Lin Lyles. Die Tochter von Reverend Charles Lyles wurde 1970 sprichwörtlich in die Gospelszene hineingeboren. Als weiterer Vocal Coach und genialer Solist ist der fantastische New Yorker Soul- und Gospelsänger Boysie White dabei. Beim großen Abschlusskonzert THE GOSPEL EXPERIENCE steht der Sonneberg Workshop Choir zusammen mit Niko, Dorrey, Boysie und den „Voices of Black Gospel“ auf der großen Gesellschaftshaus-Bühne.
Was ist Ihre schönste Jazzfestival-Erinnerung aus den 26 Jahren?
Peter Wicklein: Die Begegnung mit Paul Kuhn zu den 24. Internationalen Sonneberger Jazztagen im Jahre 2010 war etwas ganz Besonderes. Er faszinierte mich, als Mensch ebenso wie als Musiker.
Der Paul, der hat mich gedrückt, weil er sich hier so willkommen und wohl gefühlt hat. Er schilderte mir seine Ankunft in der Stadt: „Ich habe in Sonneberg an einer Tankstelle gehalten und nach dem Weg zum Schloßberg-Hotel gefragt. Ein junger Mann antwortete: ´Herr Kuhn, ich fahre voraus und Sie fahren mir hinterher´. So etwas passiert nicht mehr oft.“ Es war sehr offensichtlich, wie sehr diese Gastfreundschaft den Star beeindruckte. Aber auch das Ambiente im Hotel mit Zimmer mit Blick über Sonneberg und die Erfüllung seiner Wünsche an Garderobe, Catering und Bühne fand er hier in Sonneberg einzigartig. Ich erinnere mich oft und gerne an meine Begegnungen mit Paul Kuhn.
In diesem Zusammenhang darf ich meinen vielen Mitstreitern, den Sponsoren, den Unterstützern unseres Festivals und nicht zuletzt den starken Frauen an der Spitze von Stadt und Landkreis Sonneberg herzlich danken. Ohne sie wäre eine Veranstaltung, wie die Internationalen Sonneberger Jazztage nicht zu stemmen.
Herr Wicklein, wir danken für das Interview, wünschen Ihnen für die diesjährigen Veranstaltungen viel Erfolg und für Ihre persönliche Zukunft alles erdenklich Gute, Gesundheit, Kraft und Elan, damit Sie weitere schöne Jahre mit der Jazzmusik erleben können.
Die Fragen stellte Vivian Hopf