Für Theatergenuss unter freiem Himmel braucht es nicht viel: Eine laue Sommernacht, eine traumhafte Kulisse und eine packende Geschichte reichen meist schon aus, um den Zuschauer für eine kurze Weile zu verzaubern und in eine andere Welt eintauchen zu lassen. In Kronach hat bestes Freilicht-Theater eine lange Tradition. Seit 1995 findet im Sommer ein Freiluft-Theaterfestival statt – zuerst als Faust Festspiele, seit 2016 unter dem Namen Rosenberg Festspiele. Egal unter welchem Namen, das Publikum ist seither vom alljährlichen Schauspiel im stimmungsvollen Ambiente der Festung begeistert. Auch in diesem Jahr wartet wieder ein tolles Programm auf der Festung Rosenberg: Am 16. Juni beginnen die Rosenberg Festspiele mit der Premiere von „König Drosselbart“. Bis Mitte August trifft der Zuschauer auch auf den „Hauptmann von Köpenick“ und macht sich mit Heinrich von Kleists „Amphitryon“ auf eine Reise ins antike Griechenland. Bis dahin muss das Ensemble eine wahre Meisterleistung vollbringen, denn sie haben für die Auftritte bei den Rosenberg Festspielen nur halb so viel Probenzeit wie für eine herkömmliche Theaterproduktion. Wie dem Team das gelingt, welche weiteren Besonderheiten es bei der Produktion eines Freilicht-Theaterstücks zu beachten gibt und was bei den Rosenberg Festspielen hinter den Kulissen passiert, haben uns der künstlerische Leiter Stefan Haufe, Regisseurin Stephanie Kuhlmann und Schauspieler Gregor Nöllen im Interview verraten.

Herr Gregor Nöllen, im vergangenen Jahr waren Sie zum ersten Mal bei den Rosenberg Festspielen als „Don Camillo“ zu sehen. Wie hat es sich angefühlt, in Kronach auf der Bühne zu stehen?

Gregor Nöllen: In Kronach habe ich bei den letzten Rosenberg Festspielen nur positive Erfahrungen gemacht. Ich bin hier auf tolle Kollegen getroffen, mit denen ich auf der Bühne und hinter den Kulissen viel Spaß hatte und harmonisch zusammenarbeiten konnte– das ist vor allen Dingen unserem küntlerischen Leiter Stefan Haufe zu verdanken, der bei der Zusammenstellung des Ensembles ein gutes Händchen bewiesen hat.

Freuen Sie sich schon auf die Auftritte in diesem Jahr?

Gregor Nöllen: Auf jeden Fall! Nach der überaus angenehmen Spielzeit im vergangenen Jahr bin ich gerne für die diesjährigen Rosenberg Festspiele zurückgekehrt und schon gespannt, was diese Spielzeit für uns bereithält.

Als sie für Ihr Gastspiel im vergangenen Jahr nach Kronach gekommen sind, hatten Sie doch sicherlich Zeit, die Stadt etwas zu erkunden. Haben Sie einen Lieblingsort in Kronach?

Gregor Nöllen: Kronach ist generell eine sehr schöne Stadt mit einem unvergleichlichen Ambiente. Am liebsten bin ich allerdings hier oben auf der Festung Rosenberg. Für mich ist es eine Ehre, dass wir als Schauspieler während der Festspiele in Wohnungen auf dem Burggelände wohnen dürfen. Und als mich meine Tochter im vergangenen Jahr besucht hat, war auch sie begeistert – sie fühlte sich wie ein kleines Burgfräulein.

In diesem Jahr sind Sie als Wilhelm Voigt in „Der Hauptmann von Köpenick“ in der Hauptrolle zu sehen. Was können Sie uns denn schon über Wilhelm Voigt erzählen?

Gregor Nöllen: Er ist ungefähr 1,83 m groß, oben schmal und in der Mitte eher nicht so (lacht). Spaß beiseite: Er ist ein einfacher, bescheidener Mensch, der es in seinem Leben nicht leicht gehabt hat, seinen Platz in der Gesellschaft sucht und bisher von niemandem eine Chance bekommen hat. Wie ich das auf der Bühne darstelle, wird sich im Probenprozess noch zeigen. Dann tauche ich tiefer in die Figur ein und finde einen Weg, Wilhelm Voigt meine ganz eigene Note zu geben. Aber diese Reise hat gerade erst begonnen.

Haben Sie eine Lieblingsszene in dem Stück?

Gregor Nöllen: Das ist eine gemeine Frage! Momentan kann ich das noch gar nicht so genau benennen, schließlich stehen wir erst am Anfang des Probenprozesses. Aber mir gefallen schon jetzt viele Szenen am Anfang des Stücks. Sie zeigen, wie Wilhelm Voigt auf der untersten sozialen Skala verzweifelt nach Arbeit sucht und immer wieder auf bürokratische Hürden stößt. Und auch die Szenen, in denen es um die Uniform geht, die Wilhelm Voigt später käuflich erwirbt, mag ich sehr. Sie zeigen, dass auch die Uniform ihre ganz eigene Geschichte hat.

Herr Stefan Haufe, Sie führen beim „Hauptmann von Köpenick“ Regie. Gibt es einen speziellen Grund, weshalb Sie das Stück zur „Chefsache“ erklärt haben?

Stefan Haufe: Als ich vor zwei Jahren als künstlerischer Leiter in Kronach angefangen habe, war das das erste Stück, was mir in den Sinn kam, als ich die Festung Rosenberg betreten habe. Das Stück passt einfach perfekt in die Kulisse: Ein zentrales Motiv in dem Stück ist der Militarismus und auch auf der Festung Rosenberg spielte das Militär in der Vergangenheit eine große Rolle. Dass wir es damals noch nicht umsetzen konnten, lag vor allen Dingen daran, dass das ein sehr personenintensives Stück ist und wir das damals unmöglich stemmen konnten. Schließlich mussten wir als Team erst einmal zusammenwachsen und herausfinden, welche Möglichkeiten uns auf der Freilicht-Bühne in Kronach zur Verfügung stehen. Der Hauptmann hat quasi schon vor zwei Jahren nach uns gerufen und jetzt sind wir endlich soweit. Trotzdem ist das Stück noch immer eine Herausforderung: Alle unsere Darsteller werden in Doppelrollen auf der Bühne stehen und auch unsere Kronacher Darsteller haben Textrollen. Meine Aufgabe ist es, für dieses Stück alles auszuschöpfen, was wir an Ressourcen haben und den Spaßfaktor bei unseren Darstellern trotz des Schwierigkeitsgrades noch hoch zu halten.

Warum ist das Stück auch heute noch sehenswert?

Stefan Haufe: Zu seiner Zeit war das Stück eine große Kritik am Militarismus. Heute spielt das Militär keine derart große Rolle mehr im Alltag der Menschen. Trotzdem hat das Stück nicht an Aktualität verloren: Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Heutzutage gibt es sogar arbeitslose Akademiker, das heißt noch nicht einmal ein Doktortitel kann jemanden davor bewahren, in Existenznot zu geraten. Ein weiteres Thema, das erschreckend aktuell ist, ist das Bild vom „starken Mann“, nach dem wieder verlangt wird.

Frau Stephanie Kuhlmann, Sie inszenieren das diesjährige Familienstück, den „König Drosselbart“. Wie weit sind die Proben denn schon fortgeschritten?

Stephanie Kuhlmann: Die ersten Szenen sind schon angelegt, aber wir müssen noch die Figuren selbst und ihre Beziehungen untereinander sowie das Arrangement gemeinsam erarbeiten. Zum Glück kennen wir uns alle schon gut, sodass wir von Anfang an ganz anders arbeiten konnten.

Welche Unterschiede bringt die Inszenierung eines Theaterstücks auf einer Freilicht-Bühne im Vergleich zu einer herkömmlichen Theaterbühne mit sich?

Stephanie Kuhlmann: Da gibt es eine ganze Menge Herausforderungen. Wenn beispielsweise das Wetter nicht mitspielt, werden die Proben sehr anstrengend. Mitte Mai hat uns das frostige Wetter gleich bei einer unserer ersten Proben einen Strich durch die Rechnung gemacht – wir haben gefroren und keiner konnte sich mehr konzentrieren, sodass wir die Probe abbrechen mussten. Aber auch von der theaterpraktischen Seite haben wir beim Freilicht

-Theater eine ganz andere Situation. Während wir in einem Theater über eine Bühnentechnik verfügen, müssen wir unter freiem Himmel auf einfache Mittel zurückgreifen, um für die Zuschauer den „Theaterzauber“ zu erschaffen. Gewissermaßen kann man da sagen, dass wir hier zur Urform des Theaters zurückkehren.

Worauf muss man bei der Inszenierung des Familienstücks besonders achten?

Stephanie Kuhlmann: Das wichtigste ist, dass bei der Vorstellung alle Altersstufen unterhalten werden – wenn am Ende nur die Kinder oder nur die Eltern und Großeltern Spaß haben, dann haben wir etwas falsch gemacht. Außerdem ist das spannende bei dem Familienstück, dass die Kinder im Publikum sofort auf das Gesehene reagieren und unsere Hauptdarsteller dann während der Vorstellung in Situationen geraten, in denen sie spontan handeln müssen.

Hat es solche Situationen auch schon bei den Rosenberg Festspielen gegeben?

Stephanie Kuhlmann: Ja, unsere Schauspieler wurden auf der Bühne schon das ein oder andere Mal mit Zuschauerreaktionen konfrontiert. Im vergangenen Jahr haben die Kinder zum Beispiel unseren bösen Zauberer lautstark ausgebuht. Außerdem ist es schon oft vorgekommen, dass die Kinder die Figuren vor Gefahren gewarnt haben, die die Figur zu dem Zeitpunkt aber noch nicht wissen darf. Ein „Vorsicht, hinter dir!“ lässt sich auf der Bühne noch leicht ignorieren, aber wenn es 600 Kinder auf einmal rufen, dann muss der Schauspieler irgendwie darauf reagieren.

Wie gehen die Schauspieler mit diesen Situationen um?

Stephanie Kuhlmann: Gerade unser böser Zauberer war unheimlich überrascht und musste die Reaktion der Kinder erst einmal verarbeiten. Aber am Ende hat auch er eingesehen, dass die Rufe der Kinder eigentlich etwas positives sind. Dadurch zeigen die Kinder, dass sie ihn als Bösewicht akzeptiert und ernst genommen haben. Und das ist in diesem Fall ein großes Lob, denn dann hat er seinen Job als Schauspieler sehr gut gemacht. Auch in allen anderen Fällen verstehen die Schauspieler die Kinderrufe als Zeichen dafür, dass die Kinder mitfiebern und in die Geschichte eingetaucht sind. Was will man mehr?

Was erwartet den Zuschauer in diesem Jahr bei den Rosenberg Festspielen?

Stefan Haufe: Mit dem Märchen „König Drosselbart“ startet die Saison mit einem humorvollen Familienstück, das sicher nicht nur den Kindern Spaß machen wird. „Amphitryon“ wird die Zuschauer schließlich in die griechische Sagenwelt entführen und auch unser Hauptstück, der „Hauptmann von Köpenick“ ist von Zuckmayer als „deutsches Märchen“ betitelt worden. Alles in allem kann man deshalb sagen, dass dem Zuschauer eine märchenhafte Spielzeit geboten wird.

Was hoffen Sie denn für die kommende Spielzeit?

Gregor Nöllen: Ich würde mir wünschen, dass der Zuschauerraum immer gut gefüllt ist – dann macht es erst so richtig Spaß, auf der Bühne zu stehen. In diesem Sinne kann ich nur an die Leser appellieren: Kommet zuhauf! Wir freuen uns auf euch!

Das Interview führe unsere Redakteurin Daniela Pondelicek

Weitere Informationen und Kartenreservierung unter www.rosenbergfestspiele.de