amadeus Interview mit dem Oberbürgermeister
der Stadt Neustadt bei Coburg, Herrn Frank Rebhan
Die beiden Städte Neustadt b. Coburg und Sonneberg sind in den letzten Wochen zu einem wichtigen Bindeglied zwischen der oberfränkischen Region und dem südthüringer Raum geworden.
Politisch schwierige Zeiten sind für Sonneberg angebrochen, denn die rot-rot-grüne Thüringer Regierung plant eine Kreisgebietsreform, die Sonneberg den Kreisstadtstatus kosten könnte. Der daraus resultierende Bedeutungsverlust Sonnebergs würde die ganze Region treffen.
Diese Erkenntnis schweißt weiter zusammen. Noch nie war die Zusammenarbeit der Städte seit dem 2. Weltkrieg so eng wie zum jetzigen Zeitpunkt. Beide Stadtoberhäupter – auf der bayerischen Seite Oberbürgermeister Frank Rebhan und auf der Thüringer Seite Bürgermeister Dr. Heiko Voigt – begegnen sich auf Augenhöhe. Sie setzen alles daran, eine gemeinsame, sichere Zukunft zu schaffen, den Wirtschaftsstandort zu stärken und auch kulturell Zeichen zu setzen, wie z. B. mit der gemeinsamen Ausgestaltung des „Tages der Franken 2019“.
Amadeus nahm dies zum Anlass, um mit Oberbürgermeister Frank Rebhan über die vorgesehene Entwicklung der „Bayerischen Puppenstadt“ Neustadt bei Coburg und die vorgesehene Zusammenarbeit mit Sonneberg zu sprechen.
1. Herr Oberbürgermeister Rebhan, wer in den letzten Monaten aufmerksam durch ihre Stadt fährt, erkennt, dass an vielen Stellen Altes dem Neuen Platz macht. Vieles wird umgebaut und verschönert, wir schauen auf die Neugestaltung des Marktplatzes und das Bauvorhaben auf dem ehemaligen Postareal. Was genau passiert da und welche weiteren städtebaulichen Maßnahmen wird es in naher Zukunft geben?
Große Bauaktivitäten herrschen gerade neben dem ehemaligen Postareal, hier entsteht ein Discounter, der wichtig ist für unsere Nahversorgung. Im Frühjahr 2018 beginnen die Bauarbeiten auf dem Marktplatz hier am Rathaus, diese teilen sich in 3 Bauabschnitte auf.
Als erstes wird die Höhenlage des Platzes verändert, um eine ebenere Fläche zu erhalten. Dazu erhält der Platz ein neues Pflaster. Der Platz soll insgesamt hell werden und es wird Wasser als Erlebnis geben.
Die Baumaßnahmen sind grundsätzlich vom Stadtrat genehmigt worden, letzte erforderliche Prüfungen im Vorfeld finden gerade statt. Wichtig für uns ist dabei, dass die Anwohner, die Gewerbetreibenden und die Ansprüche, die man an Stadtfeste hat, hier auf einen Nenner kommen. Das alles unter einen Hut zu bekommen, ist wichtig, wenn auch im Detail nicht einfach.
Parallel zum Umbau des Marktplatzes erhält unser Rathaus eine Generalsanierung. Vieles ist hier in die Jahre kommen und demzufolge erneuerungsbedürftig. Handeln ist dringend geboten. Die Bauzeit beträgt ca. 2 Jahre. Es ist weiterhin unumgänglich, das gewisse Bereiche des Rathauses, wie z.B. das Standesamt und die Bibliothek aufgrund der Baumaßnahmen ausgelagert werden. So werden für diese Zeit das Standesamt in der kultur.werk.stadt und die Bücherei im Steinweg ihre Übergangsquartiere erhalten. Die Auslagerung spart im Übrigen enorme Kosten, da die Bauarbeiten am Rathaus dadurch zügiger getätigt werden können.
Im Bereich des Eigenheimbaues werden am Arnoldsplatz hochwertige neue Wohnungen inmitten der Stadt entstehen. Dieses geschieht gemeinsam mit den Stadtwerken Neustadt und privaten Investoren. In den letzten Jahren sind die Lindenstraße, der Alexandrinenplatz und die Heubischer Straße grundsaniert worden. Es war eine gute Idee, in der Stadt – wie in der Linden- bzw. Austraße oder auch Coburger Straße – „Blumenmeere“ zu schaffen – hier sind echte „Hingucker“ entstanden.
2. Nach Umbau zieht in die ehemalige Druckerei Patzschke die kultur.werk.stadt ein. Wie dürfen wir uns das neue Kulturzentrum vorstellen?
Die Einweihung der „kultur.werk.stadt“ steht noch aus. Es müssen noch kleine Ausbesserungsarbeiten von den Handwerkern gemacht werden. Mit der Schaffung der „kultur.werk.stadt“ im Bahnhofsviertel hat Neustadt eine weitere Einrichtung, die Kunst, Bildung und Kultur unter ein Dach bringt. Die Einrichtung wird künftig von den Schulen, aber auch von der VHS genutzt werden. Offene Künstlerwerkstätten, Ausstellungsflächen, Vortragsflächen, das städtische Kunstarchiv und auch die Bildungsstätte „innerdeutsche Grenze“ werden hier ihren Platz finden. Dies war nur möglich, weil die Stadt Neustadt das Gebäude von seinen Eigentümern geschenkt bekommen hat und zusätzlich zahlreiche Förderungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden konnten. Wir erwarten dadurch eine Förderung des künstlerischen Lebens in Neustadt und konkret auch eine Förderung der Neustadter Künstlerinnen und Künstler.
Die Bildungsstätte „Innerdeutsche Grenze“ stellt für uns ein sehr wichtiges Projekt dar. Gerade für unsere Städte Neustadt und Sonneberg hat die Zeit der innerdeutschen Grenze eine besondere Bedeutung, die wir deutlich machen und kommenden Generation auch vermitteln müssen. Wenn wir aus Geschichte lernen wollen, dann brauchen wir diese Zeitdokumente, um die Dinge anschaulich machen zu können. Speziell Schulen können durch dieses Projekt ihren Geschichtsunterricht vervollständigen.
3. Wirtschaftlich steht Neustadt sehr gut da. Können wir bei den aktuellen Arbeitslosenzahlen schon von einer Vollbeschäftigung sprechen? Stehen weitere Firmenansiedlungen an?
Ja, wir haben weitgehend Vollbeschäftigung in Neustadt – Gott sei Dank! Das Problem ist jetzt eher, dass unsere Firmen stetig Fachkräfte suchen. Da sind wir aktiv, da muss aber auch noch Einiges geschehen. Im Bereich der Neuansiedlungen werden eine Reihe von Gesprächen geführt. Über Ansiedlungsprojekte reden wir aber erst, wenn Fakten da sind. Vorher gilt hier der Schutz der Investoren und Beteiligten.
4. Im Einzelhandel dagegen ist derzeit die Situation eher schwierig. Große Internethändler machen den Innenstadthändlern das Leben schwer, ebenso die oftmals fehlende Geschäftsnachfolge. Kann mit Wirtschaftsförderung diesem Trend entgegengewirkt werden? Was lässt sich sonst tun, damit die Innenstädte belebt bleiben?
Einzelhandel ist ein Thema, das allen große Kopfschmerzen bereitet. Maßgeblich durch Onlinehandel (z.B. Amazon) befinden wir uns derzeit in einem Wandel, was das Konsumverhalten der Menschen angeht. Die Stadt kann selbst keine Geschäfte betreiben, auch können wir keine Kunden zwingen, lokal
einzukaufen. Was wir aber können, ist für die Einzelhändler ein attraktives Umfeld zu schaffen. Durch bauliche Maßnahmen im innerstädtischen Bereich soll auch weiterhin ausreichend Parkraum entstehen. Auch werden die öffentlichen Plätze und Straßen so konzeptioniert, dass diese barrierefrei zu erreichen sind. Wir sind wohl eine der letzten Städte, die keine Parkgebühren im Sinne des Einzelhandels verlangen.
5. Der demografische Wandel geht auch an Ihrer Stadt nicht spurlos vorbei? Die Menschen werden älter. Die meisten Leute würden gerne in ihrem vertrauten Umfeld ihren Lebensabend verbringen. Was den Bereich der Pflege, das seniorengerechte Wohnen bzw. das betreute Wohnen betrifft, kann da die Stadt der wachsenden Nachfrage gerecht werden?
Hier sind viele Bereiche wichtig, die wir nicht isolieren dürfen. Ein Beispiel: Gerade für junge Menschen stellt sich oft nicht die Frage, wie sie von A nach B kommen. Doch im Alter, vielleicht noch mit einer Beeinträchtigung, wird selbst ein leicht schräger Weg bzw. Platz für unsere Seniorinnen und Senioren zum Problem. All die relevanten Aspekte werden derzeit von uns geprüft, um Neustadt dann Schritt für Schritt generationsfreundlich umzugestalten, um zu tun, was möglich ist. So ist – um noch ein aktuelles Beispiel zu nennen – hier auch der neu entstehende Discounter an der Bahnhofstraße auf dem ehemaligen Postareal zu nennen. Kurze Wege zum Einkaufen sind ein wichtiger Aspekt in diesem Bereich.
Mit dem ASB und einem privaten Investor laufen derzeit die Planungen für ein Betreutes Wohnen im Bereich der ehemaligen Märchenschau. Hier entsteht Wohnraum, der bis ins hohe Alter attraktiv ist. Das heißt, hier kann man so lange selbstständig wie möglich leben, aber auch mit Betreuung. Im Stadtkern sind wir weiterhin bemüht, bestehende Wohnungen barrierefrei umzugestalten. Der Bedarf ist hoch. Im Bereich der Pflege sind wir derzeit mit 3 Pflegeheimen gut aufgestellt. Besonders stolz bin ich, dass es in Neustadt einen „Garten der Erinnerungen“ gibt, betrieben durch den Verein „Gero live“. Hier finden Menschen, mit Demenz zum Beispiel, einen Ort mit Geborgenheit und Sicherheit.
6. Hochwasserschutzarbeiten sind im Stadtzentrum weitgehend abgeschlossen und die neue Gestaltung an der Ortsdurchfahrt erfreut uns Tag täglich in einer schönen Farbenpracht. Wie ist der Stand zu den weiteren geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen an der Landesgrenze im Bereich von Wildenheid und Hönbach?
Im innerstädtischen Hochwasserschutz ist die Situation gut. Die Bauarbeiten dazu sind abgeschlossen und die Neugestaltung der Brachflächen kommen bei Anwohnern und Besuchern sehr gut an. Was wir jetzt noch brauchen, ist ein Rückhaltebereich vor der Stadt. Dieses liegt nördlich von Wildenheid, also oberhalb der Landesgrenze zu Thüringen. Das Verfahren dazu läuft, die eingebrachten Einwände werden derzeit geprüft und müssen berücksichtigt werden. Knackpunkt ist hier: Wieviel Wasser kann in Wildenheid durchgelassen werden, wenn das nächste Hochwasser kommt? Das entscheidet darüber, wie oft das Wasser in diesem Bereich angestaut werden muss. Wichtig für uns ist es, dass wir einen sicheren Hochwasserschutz bekommen. Denn das nächste Hochwasser kommt bestimmt, es ist nur eine Frage der Zeit, und wir müssen gewappnet sein.
7. Aufgrund der in Thüringen anstehenden Gebietsreform, bei der Sonneberg den Kreisstatus verlieren könnte, setzten Sie sich ja gerade mit ihrem Stadtrat und dem Coburger Landrat Busch dafür ein, dass Sonneberg Kreisstadt bleibt – warum? Welche konkreten Auswirkungen sehen Sie auf die Stadt Neustadt und den Landkreis Coburg zukommen, wenn Sonneberg einem Thüringer Großkreis angeschlossen und dadurch den Kreisstadtstatus verlieren würde.
Zwei Gründe sind hier für uns zentral. Zum einen geht es um Solidarität zur Nachbarstadt Sonneberg, zum zweiten ist das „Kirchturmdenken“ Schnee von gestern. Wir sind ein Wirtschaftsraum und jede negative Beeinträchtigung und Veränderung beeinflusst die Interessen aller Städte und Gemeinden.
Der Verlust des Kreisstadtstatus für Sonneberg bedeutet auch einen Verlust für die Wirtschaftskraft Sonnebergs,
was Auswirkung auf Neustadt und auf den Coburger Landkreis mit sich bringt. Zum anderen wäre Sonneberg dann am Rande eines „riesigen“ Landkreises und unsere notwendigen Ansprechpartner wären weit weg. Dies hätte negative Auswirkungen auf den ÖPNV, die zahlreichen schulischen Kooperationen, aber auch den Krankhäuserverbund von REGIOMED und vieles mehr.
8. Könnten Sie sich in diesem Bezug auch einen zukünftigen gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensraum von Neustadt und Sonneberg vorstellen? Wäre ein gemeinsamer Flächennutzungsplan ein erster Schritt in die richtige Richtung?
Der gemeinsame Wirtschafts-Lebensraum hat sich sehr gut gemacht, muss sich aber weiterentwickeln. Wir werden noch im November 2017 eine gemeinsame Tagung angehen. Es soll ohne Zwänge „quergedacht“ werden. Wie können wir im Sinne unserer Menschen in Neustadt und Sonneberg gemeinsame Bereiche voranbringen? Es werden dazu aus beiden Städten 10 Personen aus den Bereichen Verwaltung, Politik, Kultur, Sport, ÖPNV und der Infrastruktur zusammenkommen.
9. 2019 findet gemeinsam mit Sonneberg der Tag der Franken in Neustadt statt. Was wird die Besucher hier erwarten?
Wir freuen uns, den Zuschlag bekommen zu haben! Der „Tag der Franken“ ist etwas Außergewöhnliches – und vor Jahren hätte die Entscheidung wohl eine „politische Krise“ ausgelöst. Heute begrüßt es sogar der Thüringer Ministerpräsident. In der bayerischen Staatskanzlei gab es schon Befürchtungen, hier auf Gegenwind zu stoßen. Umso schöner, dass dies nicht der Fall ist. Sonneberger und Neustadter sind Franken, somit konnten wir auch die Bedenken in München zerstreuen. Das Motto wird „grenzüberschreitend“ sein. Es richtet sich an alle Bürgerinnen und Bürger jeglichen Alters. Eine Detailplanung erfolgt im Jahr 2018. Es wird ein schönes Wochenende werden, es soll ein tolles Fest für Neustadter und Sonneberger sein, das wir auf Augenhöhe gemeinsam planen und veranstalten.
Vielen Dank für das Interview.