Rechtsanwalt Robert Sesselmann gibt hierzu einige Rechtstipps
Sie kennen das sicher auch. Nachdem sich der Verkehr wegen eines langsam fahrenden LKW‘s erheblich zurückstaut und Sie unter Termindruck stehen, nutzen Sie nun endlich die Möglichkeit, nachdem die Schnellstraße eine weitere Spur eröffnet und überholen den LKW. Nicht nur Sie überholen, nein, alle Pkw hinter dem LKW wollen vorbeifahren. Daher überholen Sie als erster nicht mit 100 km/h, sondern fahren schneller, damit auch die nachfolgenden Fahrzeuge eine Chance haben, an dem LKW vorbeizukommen. Dies wissen auch erfahrungsgemäß die Gemeinden, Landkreise und Polizeidienststellen und stellen genau dort ein Radar- oder Lichtschrankenmessgerät auf. Kurz darauf erhalten Sie Post und Ihnen wird eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Sie reagieren sauer. Die meisten zahlen. Einige wenige Vielfahrer wissen, was nun zu tun ist. Sie gehen zum Rechtsanwalt und dieser legt zunächst Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und beantragt Akteneinsicht. Nicht selten sind erhebliche Verfahrensfehler bereits jetzt zu erkennen. Wenn das Messgerät nicht nach der Gebrauchsanleitung aufgebaut wird, dann ist die Messung nicht standardisiert und darf nicht verwertet werden. In Saalfeld musste kürzlich das Amtsgericht (250 Js 9512/15 OWi) den Bußgeldbescheid aufheben, weil der Gemeindebedienstete das Radarmessgerät Poliscan Speed nicht in der vorgesehenen Aufbauhöhe von 0,6-1,3 m aufgebaut hatte. Auch die fast nahezu idiotensicher aufbaubaren Lichtschrankenmessgeräte vom Typ Einseitensensor 1.0 und 3.0 (ESO 1.0 und 3.0) werden zunehmend durch die Gerichte mit Argwohn betrachtet. Diese beiden Lichtschrankenmessgeräte, hergestellt von der Firma ESO GmbH, insbesondere das ES 3.0, haben die Besonderheit, dass der Messalgorithmus und die näheren technischen Einzelheiten der Messwertbildung als Betriebsgeheimnis gehandelt werden. Selbst Sachverständige können lediglich feststellen, ob die Messkriterien befolgt und die Bedienungsanleitung eingehalten wurde. Es besteht daher keine Möglichkeit, das Messergebnis nachzuprüfen. Damit ist der Anspruch auf rechtliches Gehör des Betroffenen verletzt. Ein Beweisantragsrecht auf Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des Messverfahrens verfällt somit zu einem kaum effektiven Instrumentarium. Das Amtsgericht Landstuhl (Urteil vom 03.05.2012, 4286 Js 12300/10) geht sogar noch weiter und spricht den Betroffenen frei, weil sich das Gericht beim Messwertverfahren auf die Erkenntnisse eines Dritten verlassen muss und dies dem Unmittelbarkeitsgrundsatz der Hauptverhandlung und auch der gebotenen vollständigen Sachaufklärung widerspricht. Gerade in Zeiten der Softwaremanipulationen einiger Pkw-Hersteller schon damals 2012 eine vorausschauende Entscheidung, zumal das vorgenannte System der Firma ESO GmbH offenbar nicht grundlos bereits mehrere Softwareupdates erhielt. In einem anderen Fall in Sachsen-Anhalt nähe Bitterfeld hat die Polizei auf der A 9 bei Kilometer 107 gemessen und ein Messprotokoll für den zweiten Blitzerstandort bei Kilometer 103 ausgefüllt. Vorgeworfen wurde einem von 273 Betroffenen die Geschwindigkeitsüberschreitung bei Kilometer 103. Dort wurde aber nachweislich nicht gemessen. Folglich wurde das Verfahren eingestellt. Von den 273 Personen haben lediglich zwei Betroffene diesen Fehler kritisiert und wurden belohnt. Die anderen 271 Personen haben zu Unrecht gezahlt.
Fazit:
Man sollte grundsätzlich Entscheidungen der Bußgeldbehörden nicht ohne diese einer Überprüfung zu unterziehen, hinnehmen. Eine .berprüfung bei entsprechender Rechtsschutzabsicherung lohnt sich daher erfahrungsgemäß in den meisten Fällen. Ihr Rechtsanwalt Robert Sesselmann