Gemeinsames Plätzchenbacken, der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt oder das Christbaumschmücken: Nahezu jeder hat seine eigenen, kleinen Rituale, die zur Weihnachtszeit dazugehören. Die geschichtlichen Ursprünge dieser Weihnachtsbräuche reichen oftmals weit zurück – und haben sich mit der Zeit einem starken Wandel unterzogen. Bräuche werden übernommen, verändert, zwischen Kulturen ausgetauscht und vermarktet, bis vom eigentlichen Brauch nicht mehr viel zu erkennen ist. Die Rödentaler Buchautorin Anneliese Hübner geht den Ursprüngen unserer Adventsbräuche auf die Spur: In ihrem neuesten Buch “Von Martinsgänsen, Weihnachtsbäumen und Heiligen Nächten. Die alte Weihnachtsfestzeit im Coburger Land” beschreibt sie, wie in der Region früher Weihnachten gefeiert wurde. In ihrem 14. Werk erklärt die mit dem Frankenwürfel ausgezeichnete Anneliese Hübner nicht nur wissenswerte Fakten rund um das Weihnachtsfest, sondern zeigt dem Leser auch alte Holzschnitte und bietet eigene Gedichte in Mundart dar. Im Interview verrät die Rödentaler Buchautorin, weshalb sie Bräuche erforscht, wo sie auf Informationen über das Weihnachten von früher gestoßen ist und was die Bräuche im Coburger Land besonders auszeichnet.

Frau Hübner, seit mehr als 40 Jahren engagieren Sie sich in der Brauchtums- und Heimatpflege. Was fasziniert Sie an unseren Bräuchen?

Anneliese Hübner: Das Brauchtum unserer Region hat mich schon immer interessiert und so war es für mich wie eine Berufung, es zu erforschen und durch Veröffentlichungen und Vorträge weiterzugeben. Der Begriff „Brauch“ oder „Brauchtum“ mag insbesondere von jungen Menschen heute als überholt oder altmodisch angesehen werden. Vielleicht ist man sich nur nicht bewusst, wie sehr jeder einzelne im täglichen Leben damit verbunden ist. Bräuche gehen mit der Zeit, verändern sich, leben in sich wandelnder Form immer wieder auf und gehören im gemeinschaftlichen Miteinander und Tun zu den Grundwerten jeglicher Kultur.

Was ist das Besondere an den Weihnachtsbräuchen im Coburger Land?

Anneliese Hübner: Bei meiner Recherche bin ich auf Bräuche gestoßen, die sich nach der Reformation im protestantischen Coburger Gebiet verändert haben. Somit lassen sich auch heute noch Brauch-Unterschiede im Vergleich mit dem Süden Bayerns oder mit unseren direkten katholischen Nachbarlandkreisen erkennen.

Sie sagen, die Weihnachtsbräuche im Coburger Land haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Wie lassen sich diese Veränderungen heute noch nachvollziehen?

Anneliese Hübner: Die volkskundlichen Werke Karl-Sigismund Kramers und von Dünninger/Schopf waren für meine Recherche richtungsweisend, hinzu konnte ich Aufzeichnungen in Ortschroniken, Kultur- und Geschichtsblättern und durch Literatur und Archivalien auswerten und Befragungen durchführen. Dabei stand mir Pfarrer und Historiker Rainer Axmann mit Hinweisen und Anmerkungen zur Seite und konnte die kirchliche Brauchentwicklung – durch den Einfluss Martin Luthers geprägt – aufgezeigt werden. Nicht zuletzt war es meine Aufgabe, dies für den Leser chronologisch und verständlich aufzubereiten.

Heutzutage sagen viele, an Weihnachten geht es nur noch um Geschenke und Kommerz. Stand das Schenken früher weniger im Mittelpunkt?

Anneliese Hübner: Natürlich stand in früheren Jahrhunderten der Gottesdienst an Weihnachten im Mittelpunkt. Erst nach der Reformation hat sich das Beschenken der Kinder vom Nikolaustag auf Weihnachten, auf den 25. Dezember, verlagert. Nicht zuletzt erfüllten die Gaben der Heischebräuche in der Weihnachtszeit auch einen sozialen Anspruch: So vermochte der Erlös des Umsingens und Neujahrsgratulierens – meist Naturalien – jahreszeitlich bedingte wirtschaftliche Not armer Familien abzumildern. Heuzutage wird der Brauch des Beschenkens entsprechend vermarktet. Und es geht weniger um Existenzsicherung, sondern mehr darum, anderen eine Freude zu bereiten.

In Ihrem Buch findet der Leser ebenfalls viele Gedichte in Mundart. Anfang des Jahres wurde ein Fall aus einer Schwandorfer Kita bekannt – ein Kind soll dort gerügt worden sein, weil es in Dialekt von einem “Wurschtbrot” gesprochen hat. Wie sehen Sie die aktuelle Diskussion um Mundart und Dialekt in unserer Region?

Anneliese Hübner: Über das Verhalten – wie in der Kita – kann man nur „den Kopf schütteln“. Es sollte diesen Leuten klar sein, dass die Mundart „kein schlechtes Deutsch“, sondern eine eigenständige alte Sprache neben dem Hochdeutschen ist, das ja bekanntlich erst nach Luthers Bibel-Übersetzung eingeführt wurde. So galt und gilt mein Schaffen auch der Erhaltung und Pflege der Mundart.


Das Interview führte unsere
Redakteurin Daniela Pondelicek.


Anneliese Hübner:“Von Martinsgänsen, Weihnachtsbäumen und Heiligen Nächten. Die alte Weihnachtsfestzeit im Coburger Land. Erhältlich für 22 Euro im Buchhandel und bei Anneliese Hübner (Ringstraße 5, Rödental-Einberg)