Christian Schmidt aus Zwiesel dreht und wendet den Glasbecher, ein Surren hallt durch das Lampenstudio im Europäischen Museum für Modernes Glas. Ganz vorsichtig schleift er die farbige Schicht vom durchsichtigen Glas, an einer Stelle nur ein kleines bisschen mehr als an der anderen. Wie viel Fingerspitzengefühl er dabei beweisen musste, ist am besten zu erkennen, wenn man das fertige Glas gegen das Licht hält: Eine Szene, in der Fabelwesen und Menschen aufeinander treffen, ist in die hauchdünne Farbschicht auf dem Glasbecher eingebracht worden und wirkt dabei verblüffend echt auf den Betrachter. Christian Schmidt, der seit mehr als 30 Jahren eine eigene Künstlerwerkstatt hat und dessen Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, ist einer von drei Glasgraveuren, denen die Besucher des Europäischen Museums für Modernes Glas beim 10. Workshop für Glas beim künstlerischen Schaffen zuschauen durften.
„In unserer Sammlung haben wir eine geringe Anzahl an Werken, die graviert worden sind, deshalb bietet der Workshop eine ideale Ergänzung zu unserer Ausstellung“, erklärt Dr. Sven Hauschke, Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Auch praktische Gründe seien der Grund gewesen, weshalb die Glasgravur im Mittelpunkt des 10. Workshops für Glas stand: „Die Gravurböcke können relativ gut transportiert werden und da im Gegensatz zum Glasbläsern kein Ofen gebraucht wird, kann die Gravur gut im Lampenstudio durchgeführt werden.“ Bei den Besuchern komme das Angebot super an. „Sie sind sehr dankbar dafür, dass sie den Künstlern bei der Arbeit zuschauen dürfen und die Künstler sich die Zeit nehmen, um all ihre Fragen zu beantworten“, erzählt er. Dabei habe jeder der eingeladenen Künstler eine andere Herangehensweise, weshalb der Besucher eine breite Vielfalt an verschiedenen Techniken kennenlernen könne. „Einige fertigen vorher Zeichnungen an, die dann auf das Glas übertragen werden, andere skizzieren das Motiv direkt auf das Glas und wieder andere legen direkt ohne Vorlage los“, erklärt Sven Hauschke. Faszinierend an der Glasgravur sei, dass sie so vielfältig ist. „Die Künstler haben zwar identische Maschinen und Materialien, aber jeder hat seinen eigenen Stil – deshalb sind die Ergebnisse komplett unterschiedlich.“
„Für mich hat das Gravieren etwas meditatives – da kann ich den Kopf ausschalten und mich künstlerisch ausleben“, erklärt Christian Schmidt. Auf die Idee, Glasgraveur zu werden, habe ihn sein Vater gebracht. „Eigentlich wollte ich die Glasmalerei machen, aber das figürliche des Gravierens hat mir am Ende doch mehr Spaß gemacht“, erzählt er. Sein Stil sei vor allen Dingen an die Kunstgravur des 19. Jahrhunderts angelehnt. „Ich mag es, mit meinen Werken eine Geschichte zu erzählen“, schwärmt er. Besonders schön sei es, wenn mehrere Farbschichten auf das durchsichtige Glas aufgetragen seien: „Nach und nach legt man die einzelnen Schichten frei und kann wunderbare Motive entstehen lassen.“ Mit Anne Wenzel, einer weiteren beim Workshop vertretenen Künstlerin, habe er seit einiger Zeit eine künstlerische Kooperation: Einer von beiden beginnt ein Werk und schickt es dann ins Atelier des anderen, der dieses Werk dann vollendet. „Die Pakete von Anne Wenzel zu öffnen, ist jedes Mal ein bisschen so, als würde man ein Weihnachtsgeschenk öffnen, denn man weiß nie, was einen erwartet.“ Dass er hier gemeinsam mit ihr arbeiten könne, sei eines seiner Highlights des Workshops am Europäischen Museum für Modernes Glas. „Schade, dass wir nur ein Wochenende lang hier zusammen arbeiten dürfen – würden wir eine Woche hier zusammen sitzen, könnten die fantastischsten Werke entstehen.“ Aber auch das Museum an sich gefalle ihm sehr gut. „Und die Besucher sind bisher alle total nett und sympathisch gewesen.“