
Eine Vorlaufzeit von fast einem Jahr , viel Zeit und Mühe, aber auch Freude hat es Ingrid Ott mit Team gemacht, das von Dietrich Schulz – Schwiegersohn von Ferdinand Fischer – übergegene Skript und Dokumente in einem Buch unterzubringen.
Jetzt ist es pünktlich zum Jubiläum 50 Jahre Rödental erschienen.
Ferdinand Fischer, Zeitzeuge und Opfer zweier verlorener Weltkriege hat die Not und das Elend miterlebt und obwohl er nach dem Krieg nie mehr etwas mit Politik zu tun haben wollte, hat es ihn angesichts nicht endender Flüchtlingsströme gepackt und er hat erst als Bürgermeister von Oeslau und später Rödental die Ärmel mit hochgekrempelt und hat ein neues, offenes Rödental entstehen lassen.
Auch hat er vorausschauende Gedanken geäußert, die heute schon bestätigt sind. Eine lesenswerte Lektüre für alle, die nach dem Wurzeln Rödentals suchen. All dies ist detailliert in dem Buch zu lesen. Dank der Unterstützung der Niederfüllbacher Stiftung konnte der Heimatverein Rödental jetzt das Buch als literarisches Denkmal an Ferdinand Fischer auf den Markt bringen.
Es kann käuflich (15 € ) in den Buchhandlungen Stache und Hofmann, in der Stadtverwaltung und über die Fam. Ott erworben werden.
Ingrid Ott
Erinnerungen vom Altbürgermeister Ferdinand Fischer der Kommune Rödental:
Ferdinand Fischer hat 1984 nach Eintritt in den Ruhestand mit 65 Jahren seine Erinnerungen an vier Jahrzehnte kommunalpolitischer Verantwortung in Beiträgen für die Amtsblätter von Oeslau und Rödental und einer Vielzahl handschriftlicher Notizen festgehalten. Aus meiner Sicht stellen sie ein Zeitdokument dar. Ein Zeugnis aus einer Zeit, die von Not, Entbehrung und harter Aufbauarbeit einer in vielerlei Hinsicht traumatisierten Bevölkerung geprägt war.

Er hat als der erste Bürgermeister die im Jahr 1971 gegründete Großgemeinde Rödental von Beginn geprägt. Die Vision eines politischen Zusammenschlusses der sogenannten Kerngemeinden Oeslau, Mönchröden und Einberg zur Bewältigung der zahllosen, heute kaum noch fassbaren, Schwierigkeiten hatte Fischer bereits seit den 1950er Jahren, als rund zweieinhalb Tausend Flüchtlinge und Vertriebene eine Bleibe und Arbeit bei uns im Coburger Land finden mussten.
Nach 1945 – Frust und Enttäuschung
Nach der Katastrophe des verlorenen 2. Weltkriegs, den er als Angehöriger des Coburger MG (Maschinengewehr) Battaillons M 6 erlebt hat, kehrte er, mehrfach verwundet, nach fünf Jahren als Oberleutnant zu seiner Familie auf den Bauernhof seiner Eltern am Lindenplatz zurück.
Wie Hundertausende andere war er von der Politik grenzenlos enttäuscht und beschämt und wollte, ob seiner sinnlos geopferten Jugend, von der nichts mehr wissen. Daher widmete er sich ab 1945 der Bewirtschaftung des Hofes, da sein Vater Ernst wegen seiner Funktion als Bürgermeister in Oeslau von 1934 bis 1945 im Lager Hammelburg interniert war und bis 1947 auf seinen Prozess warten musste. Das Urteil fiel glimpflich aus, da zahlreiche Oeslauer Bürger und jüdische Flüchtlinge als Fürprecher für ihn bei Gericht auftraten und ihm eine jederzeit anständige menschliche Amtsführung frei von jeglicher Nazi- Ideologie bescheinigten.
Gegen Ende der 1940er Jahre ließen die Probleme des Ortes den Gemeinderat zunehmend verzweifeln
Da Ferdinand Fischer als ehemaliger Offizier über besondere Führungseigenschaften verfügte, trat man an ihn heran und bat ihn inständig, sich für die Gruppierung der „Bürgerlichen“ für den Gemeinderat bei der 1952 fälligen Kommunalwahl aufstellen zu lassen. Angesichts des Berges von ungelösten Fragen hat sich Fischer nach einigem Zögern entschlossen, sich als Kandidat für den Gemeinderat aufstellen lassen und wurde auch hineingewählt.
Seine Lagebeurteilung führte zu dem Ergebnis, dass keine der Kerngemeinden für sich die Defizite im Wohnungsbau, der Arbeitsplatzbeschaffung, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Straßenbau und so weiter würde lösen können. Die Gründung beziehungsweise die Fortführung von sogenannten „Zweckverbänden“ waren ihm zu aufwendig.
Und so wuchs bei ihm die Vision eines Zusammenschlusses der Kommunen zu einer Großgemeinde. 1956 wurde er zum Bürgermeister von Oeslau gewählt.
Erste Gespräche beim Landrat
Seine Idee traf beim Landrat Dr. Groebe auf offene Ohren, der die Bürgermeister der Kerngemeinden zu einem Meinungsaustausch über die Vorstellungen ihres Oeslauer Amtsbruders einlud.
Der bislang nur als Landschaftsbezeichnung auf den Landkarten existierende Name „Rödental“, nach dem Thüringerwaldflüsschen Röden genannt, fiel erstmals in der Diskussion als Name für eine Großgemeinde.
Der Wesenskern des durch den Heimatverein Rödental herausgegebenen Buches
Im Mittelpunkt stehen zweifellos die im Jahr 1984 nach der Zurruhesetzung entstandenen Erinnerungen Ferdinand Fischers an seine 32jährige Amtzeit von 1952 bis 1984 als Gemeinderat u. Bürgermeister von Oeslau sowie des ersten Bürgermeisters der Großgemeinde Rödental.
Seine Erinnerungen erschienen ab 1984 in Form einer Fortsetzungsreihe im Amtsblatt der Kommune Rödental.
Als Stilmittel wählte Fischer die „Stichpunkt“- Methode. Dadurch gelang es ihm, langatmige Sätze zu vermeiden und eine Vielzahl interessanter Ereignisse in seine Erinnerungen aufzunehmen. Die Fortsetzungen eins bis vier umfassen die Amtszeit als Gemeinderat u. Bürgermeister von Oeslau von 1952 bis 1970.
1969 erstmals Beitrag von Fischer in den Oeslauer Nachrichten zum Thema Rödental
Bereits in der am 31. Mai 1969 erschienenen Ausgabe der Oeslauer Nachrichten wurde von ihm eine mehrseitige Abhandlung unter der Überschrift „Rödental!?“ veröffentlicht. Darin fasst Fischer die Vorteile eines Zusammenschlusses der Kerngemeinden Oeslau, Mönchröden und Einberg zusammen. Ich betrachte diesen Beitrag ein Musterbeispiel dafür, wie man eine Bevölkerung mit überzeugenden Fakten und Argumenten für ein richtungweisendes Projekt begeistern kann.

Ab 1984 erscheinen im Amtsblatt von Rödenal seine Erinnerungen
Sie sind in insgesamt 11 Fortsetzungen gegliedert. In den ersten 4 Beiträgen erinnert Fischer an die Jahre seiner Amtszeit von 1952 bis 1970 an der Spitze der Kommune Oeslau. Die 5. bis 11. Fortsetzungen stellen die Ereignisse der Jahre 1971 bis 1984 in der neuen Großgemeinde Rödental dar. Unter anderem wird die Entwicklung von der Gründung der neuen Kommune am 1. Januar 1971 mit den Teilorten Oeslau, Mönchröden, Einberg, Rothenhof, Kipfendorf und Unterwohlsbach über Waldsachsen am 1. Juli 1971, Oberwohlsbach am 1. Januar 1972, Spittelstein, Blumenrod am 1. Januar 1977 und schließlich Waltersdorf, Mittelberg, Fischbach, Fornbach, Schönstädt u. Weißenbrunn v. Wald, dargestellt.
Fazit des ehemaligen Bürgermeisters Ferdinand Fischer
Die Fortsetzungsserie im Rödentaler Amtsblatt wird mit einem Resumee Fazit über seine Tätigkeit in der Kommunalpolitik abgeschlossen.
Für ihn typisch, gelten seine Schlussgedanken der Jugend: „Unserer Jugend gehört die Zukunft. Ihr ist es aufgegeben nach vorne zu schauen.“
Erinnerungen an seine eigene Schul-und Jugendzeit in den Jahren von 1918 bis 1929
Bemerkenswert und für die heutigen Generationen ist die Tatsache, dass er in seinen Erinnerungen auch die Entwicklung der politischen und wirtschaftlich-sozialen Verhältnisse nach dem Ende des 1. Weltkriegs und die Zeit der Weimarer Republik bis zur Machtübernahme der Nationalsozialistischen Arbeiter Partei /NSDAP in unserer Heimat festgehalten hat.
Von besonderem Interesse dürften einige von mir eingefügten ergänzende Darstellungen von Ereignissen aus jüngerer Zeit sein.
- So stattete Ministerpräsident Dr. Franz Josef Strauß der Gemeinde am 20.3.1981 einen mehrstündigen Besuch ab, bei der es Fischer nach vielen vergeblichen Versuchen bei der Schlösser u. Seenverwaltung gelang, dem Ministerpräsidenten das Versprechen abzuringen, dass die Staatsregierung für eine Grundüberholung des Schlosses Rosenau die erforderlichen finanziellen Mittel umgehend bereitstellen wird. Strauß hat sein Wort gehalten.
- Legendär ist auch seine Teilnahme am Projekt Stadtentwicklung der damaligen Bonner Bundesregierung für die neu zu gründente Großgemeinde. Fischer hat sich kurz entschlossen auf den Weg nach Bonn gemacht und den damaligen Bauminister Haag mit einer Landkarte überrascht, auf dem die Umrisse der in seiner Vision existierenden neuen Großgemeinde zu sehen waren.
- Dank seiner ausgeprägten Überredungskunst konnte der Oeslauer Bürgermeister eine schriftlich fixierte Zusicherung für die Finanzierung eines Drittels der Kosten für den Bau eines Gemeindezentrums durch den Bund mit nach Hause nehmen. Mit diesem Schriftstück hat er sich umgehend auf die Reise zur bayerischen Staatsregierung nach München begeben, die ihm bei einem früheren Besuch etwas von oben herab mit seinem Projekt belächelt hatte. Diesmal hielt Fischer den Gesprächspartnern die Zusage der Bundesregierung unter die Nase. Das Papier verfehlte seine Wirkung nicht und Fischer kehrte mit der Zusage der Übernahme des zweiten Drittels der Kosten in die Provinz zurück. Für die neue Kommune blieb dennoch mit der Finanzierung des letzten Drittels ein ordentlicher Brocken für den Rödentaler Haushalt übrig.
- Die Erinnerungen enthalten auch das Original einer Rede, die F. Fischer am 4. Dezember 1989 in der voll besetzten Eisfelder Kirche St. Nicolai gehalten hat. Das Manuskript habe ich in seinen Notizen gefunden und als ein wertvolles Dokument aus der Wendezeit seinen Erinnerungen hinzugefügt. Darin hat er die Nachbarn jenseits des Eisernen Vorhangs ermutigt, weiter für die Wiedervereinigung und das Erlangen ihrer Freiheit zu kämpfen: „Die Geschichte hat einen langen Atem. Nichts bleibt immer so!“
- Ferner sind etliche handschriftliche Notizen Fischers zu folgenden Themen eingefügt:
Über das Altern; Zu Schul- und Bildungsreformturbulenzen; Ängste der Bürger- Interessen der Politiker; Zur Gebiets- und Verwaltungsreform Anfang der 1970er Jahre; Zur Föderalismusreform; Metropolregion Nürnberg und Umgebung; Zum Wert des Bauernstandes; Mahnende Worte an den Gemeinderat und die Bürger von Rödental;
Den Erinnerungen meines Schwiegervaters habe ich aus meiner Sicht als Autor und Teil der Familie noch einige Beiträge hinzugefügt, die seine vielschichtigen Charaktereigenschaften hervorheben sollen.
- Das Buch wird von mir durch ein Vorwort sowie ein Portrait seiner Person aus meiner Sicht eingeleitet.
- Darin werden seine geradezu phänomenalen Vorhersagen über den baldigen Untergang des Kommunismus, über den damit verbundenen Fall der Berliner Mauer, des Eisernen Vorhangs und den Zusammenbruch der DDR ebenso aufgegriffen, wie seine Bemühungen, die hiesigen Firmen und Geschäftsleute und sozialen Einrichtungen zu überzeugen, auf der Gemarkung der neue Großgemeinde neue Geschäfte zu errichten.
- In einem Epilog zum Schluss des Buches habe ich weitere Eigenschaften erwähnt, die für Außenstehende nicht so leicht erkennbar waren
- Ferner werden die besondere Zuneigung zur Jugend gewürdigt: Die Gründung der Sportgemeinschaft Rödental durch den Zusammenschluss der Oeslauer Sportvereine TSV 1881 und TSR 02 Oeslau; Die Mittelschule samt der Martin Luther Turnhalle, die Sportplätze, das Jugendorchester sowie die Wiederherstellung der Ruine Lauterburg durch freiwillige Arbeitseinsätze ; Seine größten Erfolge; Die Ersteigerung der Domäne Oeslau; die Teilnahme an der Stadtentwicklungsmaßnahme für das Stadtzentrum Rödental.
- Seine für ihn schlimmsten Niederlagen:
Der Umbau der Schlosskirche St. Johannis in Oeslau; der mehrfach misslungene Versuch bei der Deutschen Bahn den Abbau der Eisenbahnstrecke Coburg – Görsdorf zu verhindern; sowie die Ablehnung des Gemeinderats, in Rödental eine Sonderschule einzurichten.
Abschließend:
Die Aufzeichnungen meines Schwiegervaters haben mich allein schon wegen ihrer prägnanten Sprache in ihren Bann geschlagen. Tatsache ist, dass er seine Erinnerungen mit der gleichen unwiderstehlichen Überzeugungskraft niedergeschrieben hat, wie er es verstand, seine kommunalpolitischen Vorstellungen auch in seinen Ansprachen unter die Leute zu bringen.
Das umfangreiche Bildmaterial stammt aus dem Nachlass von F. Fischer sowie aus dem Archiv der Stadtverwaltung. Die Anordnung im Text besorgte die Heimatpflegerin Ingrid Ott.
Ich wünsche mir, dass sich gerade die jüngeren Generationen an Ferdinand Fischer ein Beispiel nehmen, wie man mit Eigenverantwortung, Lesitungsbereitschaft, Mut, Tatkraft, Beharrlichkeit, Ausdauer und nicht zuletzt einem Schuss Humor auch scheinbar unüberwindbare Hindernisse letztlich doch auf die Seite räumen kann.
Dietrich Schulz