Als sich der Wanderfalke 2016 das erste Mal nach 132 Jahren im Coburger Land niederließ, war das wirklich eine Sensation für Vogelliebhaber. 1884 hatten Wanderfalken vorher das letzte Mal bei Fürth am Berg gebrütet, danach reisten sie nur noch durch unsere Region hindurch. Es gab zwar schon immer wieder Brutversuche, sie verliefen aber nie erfolgreich. Um den Wanderfalken im Coburger Land wieder fest anzusiedeln, hatte der LBV bereits vor einigen Jahren an der Veste Coburg und am Müllheizkraftwerk Wanderfalkenkästen installiert. Der Morizkirchturm als künstlicher Felsen gefiel dem Falken aber offensichtlich besser – vielleicht, weil hier in der Coburger Innenstadt viele Stadttauben, seine Hauptnahrung, leben. Hier, mitten im städtischen Trubel, ganz in der Spitze des Morizkirchturm, brüten die Wanderfalken jetzt schon zum fünften Mal in Folge. Auch in diesem Jahr hat der seltene Greifvogel schon wieder vier Eier gelegt. Woher man das so genau weiß, obwohl man den Brutkasten jetzt natürlich nicht öffnen kann, um den seltenen Vogel nicht zu stören? Wahrsagerei? Experteneinschätzung? Ei-Logie? 

Ganz einfach: Mit einer neu installierten Webcam kann jetzt jeder einen Blick ins Schlafzimmer der Wanderfalken werfen. Mit tatkräftiger Unterstützung der Firma Dacor und des Hochbauamtes der Stadt hat der LBV Coburg in den vergangenen Wochen – noch vor der Brutzeit – im Nistkasten zwei Beobachtungskameras installiert, mit denen sich jetzt das Brutgeschehen und die Aufzucht des Nachwuchses live verfolgen lassen. Darüber hinaus gibt es auf dem Youtube-Kanal des LBV regelmäßig Zusammenfassungen der interessantesten Szenen. Die beiden Hikvision-Kameras mit 4 Megapixel Auflösung liefern einen Stream in HD-Qualität. Die Tag- und Nacht-Funktion gibt die Möglichkeit zur 24 Stunden-Vogelbeobachtung. Auch hören kann man, was im Wanderfalken-Schlafzimmer vor sich geht, wenn man den Ton an seinem Computer anschaltet. Dank Infrarot-Funktion kann man die Vögel auch im Dunkeln noch beobachten. Nach heutigem Wissensstand ist dies für die Tiere kaum wahrnehmbar und somit nicht schädlich. Man erreicht die neue Wanderfalken-Webcam über die Homepage des Coburger Naturschutzvereines www.coburg.lbv.de

Mit der neuen Webcam bringt der LBV den Wanderfalken zu allen Naturfreunden direkt nach Hause. Foto: LBV Coburg

Der LBV Coburg, der als gemeinnütziger Naturschutzverein die Installation sowie die laufenden Kosten der Webcam bisher allein trägt, bittet um Spenden und sucht Sponsoren, um die Webcam langfristig zu ermöglichen. „Wir freuen uns über jede finanzielle Unterstützung für die neue Webcam“, sagt Frank Reißenweber, erster Vorsitzender des LBV Coburg. „Wir bedanken uns außerdem ganz herzlich bei unserem engagierten Ehrenamtlichen und alle beteiligten Projektpartner, ohne die die Webcam nur ein lang gehegter Traum hätte bleiben müssen.“  

Die Webcam liefert schon seit einiger Zeit Aufnahmen, es gab aber noch einige technische Probleme, so dass sie erst jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Nach intensiver Balz ab Ende Februar, mit unter anderem einer am 18. Februar dokumentierten Beute-Übergabe, wurde am 7. März das erste Ei gelegt. Das eigentliche Brüten beginnt typischerweise nach dem dritten Ei, das am Morgen des 12.3. gelegt wurde. Am 14.3. wurde das vierte Ei gelegt. In seltenen Fällen folgt ein fünftes Ei. 

Die Brutphase dauert knapp über 30 Tage. Darauf folgt die Nestlingsphase, die in der Regel zirka 40 Tage beträgt. „In diesen beiden Phasen wird über die LBV-Webcams permanent etwas zu beobachten sein“, sagt Bernd Leuthäusser, der in vielen ehrenamtlichen Arbeitsstunden für den LBV die Webcam-Installation organisiert und begleitet hat. „Von der Nahrungsbeschaffung für das brütende Weibchen, eventuell das Abwechseln bei der Brut, das Schlüpfen der ‚Federbälle‘ aus den Eiern bis zur Fütterung der Jungvögel und deren erste ‚Trainings‘ auf dem Weg zu dem schnellsten Vogel der Welt.“ 

Die LBV-Webcams bieten einen absolut ungefilterten Einblick in dieses natürliche Geschehen. Dazu gehört der Blick auf die Beute genauso wie die Tatsache, dass häufig nicht alle geschlüpften Jungvögel die erste Lebensphase überstehen. Also nicht immer etwas für schwache Nerven – darauf weist der LBV ausdrücklich hin. 

Zur Geschichte der Wanderfalken  

Die Wanderfalken waren in den 70er Jahren in Bayern außerhalb der Alpen ausgestorben, vor allem wegen des gefährlichen Insektengifts DDT, das damals nach langem Kampf der Naturschutzvertreter in der Landwirtschaft verboten wurde. Durch konsequenten Schutz und künstlichen Nisthilfen in hohen Gebäuden besiedelt der Wanderfalke jetzt wieder fast ganz Bayern – jedoch lange nicht bei uns, denn mangels Naturfelsen ist das Coburger Land auch kein erstklassiges Wanderfalkengebiet. Der Nistkasten in der Morizkirche wurde vor 20 Jahren installiert, die Vogelschützer mussten sich aber 15 Jahre gedulden, bis er eben 2016 endlich gefunden und angenommen wurde. Die Kirchturmspitze ist optimaler Platz für den Wanderfalken. Der Nistkasten ist optimal geschützt vor Fressfeinden und die Umgebung mit den vielen Dächern und Türmen bietet den Jungvögeln optimale Bedingungen für die ersten Flugtage.