Heute: Peter Wicklein – Vater der Internationalen Sonneberger Jazztage 

Peter Wicklein, spiritus rector der Sonneberger Jazztage, feiert am 29. Mai seinen 80. Geburtstag. Bereits zu Zeiten der ehemaligen DDR war Wicklein ein großer Verehrer des traditionellen Jazz. 

Hinter verschlossenen Türen wurde in den 1950er Jahren fleißig AFN gehört. Nach dem Musikstudium in Weimar und Berlin wurde Wicklein künstlerischer Leiter des Jugendensembles des Spielwaren-Kombinats. 1971 gründete Peter Wicklein seine eigene Band „Die Sonneberger Jazzoptimisten“, die anfangs hauptsächlich noch Geheimtipp waren. Wickleins Kombinatsleiter, Generaldirektor Rudolf Stolze, war auch ein Jazz-Fan und zum 15-jährigen Bestehen der „Optimisten“ sollte Peter Wicklein ein Fest ausrichten. Hierzu kamen auf Einladung einige Jazz-Gruppen aus der DDR-Musikszene und eine Jazz-Band aus Polen. Um dem Fest den entsprechenden Rahmen zu geben, wurde als Publikum eine Kompanie der DDR-Grenztruppen abgeordnet, die in Ausgehuniform an dem Konzert teilnehmen mussten. Und die jungen Soldaten waren alle begeistert. Aus dieser „Geburtstagsfeier“ entwickelte sich das Jazz-Festival. Doch lassen wir Peter Wicklein selbst zu Wort kommen.

Lieber Peter Wicklein, wie waren denn die Anfänge des heute weit über Deutschlands Grenzen hinaus anerkannten Sonneberger Jazz-Festivals?
Wicklein: Wie schon erwähnt, hat sich das ganze aus dem 15-jährigen Bestehen der „Jazz-Optimisten“ entwickelt. Mein damaliger Chef ordnete 1986 eine „Geburtstagsfeier“ an und ich musste daraus eine Veranstaltung mit Jazz-Bands und einer Gastband aus Polen gestalten. Der Erfolg im Vorverkauf war mäßig, weil Sonneberg und die Region kein Pflaster für Jazz war. Die kulturhistorischen Wurzeln dieser Musikrichtung liegen nun einmal woanders. Unterstützung bekam ich von einer Kompanie der Grenztruppen, deren Kompaniechef den Besuch unserer  Veranstaltung auf den Dienstplan setzte und damit waren schon mal 120 Besucher mehr da. Meinem Chef hat die Veranstaltung so gefallen, dass sie jedes Jahr als „Sonneberger Jazz-Nacht“ ihre Wiederholung fand.

Nach der Grenzöffnung konnten Sie ja dann „so richtig Gas geben“, denn zu DDR-Zeiten waren Jazz-Bands aus dem Westen noch relativ tabu. Sie konnten nach 1989 Jazzformationen aus der ganzen Welt einladen. Wer war denn schon von den bekannten Namen in Sonneberg?
Wicklein: Mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und aus Geldnöten heraus, denn das Ensemble der Spielwarenindustrie wurde aufgelöst, wurde im April 1992 der Verein „Sonneberger Jazzfreunde e. V.“ gegründet. Es wurden Sponsoren gefunden, die es den Organisatoren des Vereins ermöglichten, in den folgenden Jahren sehr gute Jazzer nach Sonneberg einzuladen. Besonders dankbar sind wir für die Unterstützung durch den damaligen Sonneberger Landrat Detlef Weise. Aus der Jazz-Nacht wurden die „Internationalen Sonneberger Jazztage“, die nur so erfolgreich wurden durch das starke Engagement der Macher und Jazzaktivisten aus Ost und West. Ohne diese gemeinsame Zusammenarbeit wäre der Erfolg nicht möglich geworden. Neben sehr bekannten internationalen Jazz-Bands kamen auch Musiker wie Manfred Krug, Paul Kuhn, Götz Alsmann, die Barrelhouse Jazzband aus Frankfurt a. Main, Barbara Dennerlein, Gunter Hampel, Rod Mason (GB), Chris Barber (GB), Terry Ligthfoot (GB), Kenny Ball and his Jazzmen (GB), Eugen Cicero, die Dutch Swing College Band (NL) mit Joe Muranyi, Pete Allen mit Jazzband (GB), Huub Janssen and his Amazing Jazz Band (NL), und, und, und … Sie gaben hier in Sonneberg Konzerte und spielten in der Jazznacht zusammen mit anderen namhaften Formationen.

Zum Mauerfall waren Sie und Ihre Bandkollegen gerade auf Tournee in der CSSR. Wie haben Sie den Fall der Mauer erlebt und was geschah nach Tourneeabschluss – Sie und Ihre Bandmitglieder sind ja erst einmal nach Bayern gefahren und nicht zurück nach Sonneberg. Haben Sie dem Umbruch noch misstraut?
Wicklein: Darüber hatten wir keine Zeit nachzudenken. Am 10. November 1989 gab es ein Konzert der „Optimisten“ im Osten der Slowakei, an der ukrainischen Grenze. Auf der Rückfahrt hörten wir von den Ereignissen in der DDR und kamen an den Grenzübergang, wo wir überlegen mussten, zurück in die DDR oder geradewegs in den Westen. Nach heftigem Disput mit einem tschechischen Grenzoffizier, dem ich erzählte, dass wir am 11. November ein Konzert in Coburg hätten und ich ihm drohte, den Kulturattaché der CSSR einzuspannen, ließ er uns passieren. In Coburg war die Stadt übervoll mit Besuchern aus Coburg und ersten Gästen aus der DDR. Wir bauten auf dem Marktplatz unsere Instrumente auf und spielten einfach drauflos. Tausende blieben auf dem Marktplatz und erfreuten sich an unserem spontanen Open-air-Konzert, das sich über zwei Stunden hinzog. Zu diesem Zeitpunkt war die Tür zum Westen ja erst einen Spalt offen – wir haben sie einfach mit aufgestoßen.

Wann kam es dann zur Gründung des Vereins „Sonneberger Jazzfreunde“ der heute Träger des „Internationalen Sonneberger Jazz-Festivals“ ist?
Wicklein: Wie schon erwähnt haben wir den Verein mit Sonnebergern und Oberfranken zusammen im April 1992 gegründet. Der Verein Sonneberger Jazz-Freunde e.V. ist ein Thüringisch-Fränkischer Verein zur Förderung und Pflege der Jazzmusik und Kleinkunst.

Mittlerweile hat sich das Festival etabliert und es gibt neben den Konzerten auch Workshops. Eng ist die Zusammenarbeit auch mit Oberfranken, insbesondere natürlich mit der Nachbarstadt Neustadt. Hat sich das auf das gesamte Festival positiv ausgewirkt?
Wicklein: Ja, die grenzübergreifende Zusammenarbeit hat sich ja bereits aus der Gründung des Vereins Sonneberger Jazzfreunde ergeben. Seit nunmehr 13 Jahren sind die „Internationalen Sonneberger Jazztage“ landesweit eingebunden in die Jazzmeile Thüringen, die sich quer durch Thüringen zieht und an der inzwischen 18 Städte, mehrere Clubs und die Hochschule „Franz Liszt“ in Weimar beteiligt sind. Neben unserer Schirmherrin Sibylle Abel und der Landrätin Christine Zitzmann sind auch Neustadts Oberbürgermeister Frank Rebhan und Bürgermeister Martin Stingl Förderer der Sonneberger Jazztage. Die Zusammenarbeit läuft hervorragend.

Ihr Engagement wurde mit zahlreichen Auszeichnungen anerkannt. Nach Ministerpräsident Bernhard Vogel, der selbst gern Jazz hört, wurde Ihnen, als bislang 2. Preisträger, zum 25. Jazz-Festival der „Kulturpreis der Stadt Sonneberg“ verliehen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Wicklein: Natürlich kann man stolz sein, wenn Engagement Anerkennung findet. Nach dem Max-Reger-Kunstpreis 1978 erhielt ich im Jahr 2011 den Kulturpreis der Stadt Sonneberg.

Sie sind vor einigen Tagen 80 Jahre alt geworden. Andere Mitmenschen genießen schon seit Jahren ihren verdienten Ruhestand. Bei Ihnen ist da aber noch kein Anzeichen zu sehen. Werden Sie auch weiterhin dem Jazz und besonders dem Sonneberger Festival – Ihrem Kind – die Treue halten?
Wicklein: Ich werde auch weiterhin, so lange es die Gesundheit erlaubt, die künstlerische Leitung der Sonneberger Jazztage beibehalten an der Seite meiner sehr aktiven Mitstreiter. Es macht mir viel Freude, mich zu engagieren und die Veranstaltung mit auf die Beine zu stellen und von der ersten Stunde an zu begleiten. Denn wie heißt es so schön: nach der Veranstaltung ist immer auch vor der Veranstaltung. Auch musikalisch werde ich mit den „Optimisten“ weiterhin gezielt einige Konzerte geben. Auf Tournee gehen wir nicht mehr. Persönlich halte ich mich fit mit Sauna, Fitness und Schwimmen.

Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen, lieber PeterWicklein, auch im achten Lebensjahrzehnt weiterhin einen angenehmen und fröhlichen, insbesondere natürlich einen gesunden Un-Ruhestand. Mögen Sie und der Jazz noch über viele Jahre gemeinsam das Leben genießen.

Das Gespräch führte Herbert Schellberg