Die Kunstsammlungen der Veste Coburg öffnen ab Freitag, 4. Juni, wieder ihre Türen für Besucher. Im LABOR der Veste ist die neue Sonderausstellung
Glass Works
European Glass Lives in Craft, Art and Industry – Neue Perspektiven in Glas – bis 12. September 2021 zu sehen.
Mit der vom Bild-Werk Frauenau organisierten Wanderausstellung wird das LABOR auf der Veste Coburg erstmals als neuer Präsentationsort genutzt. Der Gewölbekeller des Herzoginnenbaus bietet sich für kleinere, gerne auch experimentelle Präsentationen an, die nicht zwingend etwas mit Kunst zu tun haben müssen, sondern auch den Bereichen Design und Technik zugeordnet sein können.
Glass Works widmet sich verschiedenen europäischen Glaslandschaften und deren grenzüberschreitenden Verbindungen in Vergangenheit und Gegenwart. Vorgestellt werden fünf europäische Glasregionen: Ostbayern, die Tschechische Republik, Elsass-Lothringen, die Steiermark und Dänemark. Darüber hinaus werden aktuelle Arbeiten von neun jungen Stipendiatinnen und Stipendiaten aus dem Bereich Design und Kunst gezeigt.
Die Ausstellung ist Teil des EU-Projekts „Glass Works“. Unter dem Motto „Wurzeln schlagen durch Training und Networking“ arbeitet das Bild-Werk Frauenau, Veranstalter einer Internationalen Sommerakademie für Glas und Bildende Kunst, als Projektleiter zusammen mit der Karl-Franzens-Universität, Graz, der Königlich Dänischen Kunstakademie und einer Reihe von europäischen Partnern. Ziel des vierjährigen Pilotprojekts ist es, langfristige Netzwerke und Strukturen zwischen Glasmachern in den Bereichen Kunst, Design und Handwerk sowie Glasfirmen, Ausbildungszentren und Glasregionen aufzubauen. Es sollen Start-up-Hilfen für potenzielle Glasmacher geschaffen und gemeinsame Wege gefunden werden, um das europäische kulturelle Glaserbe in der Zukunft weiterzuentwickeln.
(Dr. Sven Hauschke)
HINTERGRUND
Unterwegs in Europa und in die Zukunft: Grenzgänger im Glas
von Prof. Dr. Katharina Eisch-Angus, Leiterin des Instituts für Kulturanthropologie & Europäische Ethnologie der Karl-Franzens-Universität Graz, Vorstand im Bild-Werk Frauenau und Mitorganisatorin des Projekts Glass Works
Die Ausstellung „Glass Works“ folgt Glasmachern und Künstlern kreuz und quer durch Europa und zeigt, wie sich ein spannendes Kulturerbe in die Zukunft führen lässt. Prag, Brünn, Nürnberg, Breslau – dies sind nur einige Stationen, an denen Conradus Glaser seine leuchtend-bunten Kirchenfenster verwirklichte. Dazu musste er nicht nur mit dem künstlerischen Zeitgeist der europäischen Gotik vertraut sein und sein Handwerk beherrschen. Gut vernetzt zu sein mit heimischen Waldglashütten und internationalen Auftraggebern, mit Produktionsstätten und Märkten war für einen böhmischen Glasmaler des 14. Jahrhunderts ebenso wichtig wie z.B. für die französische Glasmacherfamilie Greiner oder den österreichisch-slowenischen Glasgraveur Franz Welser auf ihren Arbeitswegen nach Italien, Ostdeutschland oder in die Steiermark. Dasselbe gilt für die russische Künstlerin Maria Koshenkova, die in Dänemark zuhause und in Europa und Übersee für ihre gläsernen Werke unterwegs ist. Glas ist global – und lebt aus dem Miteinander von Kunst, Handwerk und dem alten Können der Glashütten. Und wer hätte gedacht, dass es der Glasmacher Karl Paternoster aus dem ostbayerischen Glasmacherort Frauenau war, der 1965, zusammen mit dem Künstler Erwin Eisch, den Pionieren der Internationalen Studioglasbewegung in einer Garage im US-amerikanischen Wisconsin das Glasmachen beibrachte?
Diese und andere Weggeschichten von Grenzgängerinnen und Grenzgängern im Glas stehen im Zentrum der Wanderausstellung „Glass Works. European Glass Lives in Craft, Art and Industry“, die ab sofort im LABOR auf der Veste Coburg zu sehen ist. Daneben werden fünf europäische Glasregionen mit ihren ganz unterschiedlichen Traditionen, vor allem aber ihren Beziehungen und Zukunftspotentialen portraitiert: Ostbayern, Tschechien, Elsass-Lothringen, Dänemark und die Steiermark. Entstanden ist die Schau im Rahmen des europäischen Partnerprojekts „Glass Works. Taking Roots through Training and Networking“, das maßgeblich von der Europäischen Union und dem Bayerischen Heimatministerium gefördert wird.
Von 2019 bis 2022 geht es dabei jedoch nicht nur um die Dokumentation des immer schon grenzüberschreitenden und „traditionell innovativen“ Kulturerbes der künstlerisch-handwerklichen Glasgestaltung. So werden neben zukunftsweisenden Manufaktur-, Design- und Handwerksprodukten der fünf Glasregionen auch Kunstobjekte von neun jungen Glasschaffenden aus verschiedenen Ländern und Glasszenen präsentiert. Als Stipendiatinnen und Stipendiaten haben sie von Oktober 2020 bis März dieses Jahres ein Start-up-Training in den Werkstätten des Bild-Werk Frauenau absolviert, einer weltweit vernetzten Einrichtung, die vor allem durch ihre internationale Sommerakademie für Glas und Kunst bekannt ist. Angeleitet und betreut vor Ort, sowie in Online-Vorträgen und -Workshops haben sie an ihrer ganz eigenen gläsernen Handschrift gearbeitet und sich von erfahrenen Glas-Protagonisten ebenso inspirieren lassen wie von tschechischen und skandinavischen Modellprojekten. Passend dazu haben sie ihre ganz unterschiedlichen Geschäftsideen und Karriereentwürfe entwickelt: so etwa der Glasmacher und Kunsthandwerker mit dem Traum vom eigenen Glasofen, die Designerin, die ihre keramischen Wurzeln ins Glas hinüberwachsen lässt, oder die Konzeptkünstlerin, die sich die Ausdrucksvielfalt von Glas in der Zusammenarbeit mit Handwerkern zunutze macht.
Die wichtigste Erfahrung, die die jungen Leute aus dem Corona-Winter im Bayerischen Wald mitgenommen haben, war es zu erleben, wie sie als vielsprachige Gruppe zusammengewachsen sind. Sie haben gelernt, sich mit ihrem Können und ihren verschiedenen Glastraditionen auszutauschen und zu unterstützen – und damit ihren Weg auf den Spuren der Glasleute in Europa machen.
Damit sprechen sie den Initiatoren des Pilotprojekts „Glass Works“ aus der Seele. Immerhin sollen am ostbayerischen Standort Frauenau auch langfristig die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Glasleute gemeinsam lernen, sich international vernetzen und vermarkten. Darüber hinaus setzt man darauf, dass die traditionellen Glasregionen sich auf ihre Stärken und Synergien in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit besinnen.
Yann Grienenberger, Geschäftsführer des Internationalen Glaskunstzentrums Meisenthal im französischen Lothringen, einer Region, die in der Ausstellung vorgestellt wird, betont, dass eine Glastradition täglich mit den Augen eines zeitgenössischen Schöpfers, Designers und Künstlers neu gesehen werden müsse, um nicht einzuschlafen und zu sterben. Historiker, Designtheoretiker, Glasmacher, Politiker – all diese Welten müssen zusammenkommen und kreuz und quer denken. Innovation kommt aus der Fähigkeit, grenzüberschreitend zu arbeiten.
Die Wanderausstellung „Glass Works. European Glass Lives in Craft, Art and Industry“ wurde am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Graz in Zusammenarbeit mit dem Bild-Werk Frauenau e.V. und der Königlich Dänischen Kunstakademie Kopenhagen konzipiert. Von der dänischen Glasinsel Bornholm kommend, wird die Ausstellung bis 12. September 2021 im LABOR auf der Veste Coburg zu sehen sein. Anschließend wandert sie über die Handwerkskammer München weiter nach Graz und von dort ins Glasmuseum Frauenau.
INFORMATIONEN ZUR WIEDERERÖFFNUNG DER KUNSTSAMMLUNGEN DER VESTE COBURG
Öffnungszeiten ab Freitag, 4. Juni 2021: täglich von 9.30 bis 17 Uhr
Besucherinnen und Besucher können sich telefonisch unter Tel. 09561-87933 anmelden beziehungsweise müssen sich vor Ort registrieren.
Die Wiederaufnahme von Vermittlungsveranstaltungen (Rundgänge im Außenbereich, nach Voranmeldung) ist ab Samstag, 12. Juni, geplant.