Im letzten Jahr hat der Bundesgerichtshof in letzter Instanz dafür gesorgt, dass viele Verbraucher, die ihre Lebens- oder Rentenversicherungen vorzeitig gekündigt oder beitragsfrei gestellt haben, Nachzahlungen in teils erheblicher Höhe beanspruchen können.
Böses Erwachen
Etliche von Ihnen kennen dieses Gefühl sicher aus eigener Erfahrung: Da wurden über Monate und Jahre hinweg treu und brav Beiträge in eine Versicherung eingezahlt in dem Vertrauen, das Geld sei gut angelegt. Plötzlich steht man vor dem Problem, die monatlich fällig werdende Prämie nicht mehr aufbringen zu können. Oder man möchte sich aus irgendwelchen Gründen das angesparte Guthaben vorzeitig auszahlen lassen, um z. B. eine Anschaffung zu tätigen oder einen finanziellen Engpass zu überbrücken. Viele Versicherte erleben dann eine unliebsame Überraschung: Der sogenannte Rückkaufswert, also der Zeitwert der Lebens- oder Rentenversicherung, ist im Vergleich zu den eingezahlten Beiträgen sehr gering. Im schlimmsten Fall sogar gleich Null. Statt der erwarteten satten Zinsen gibt es am Ende oft nur lange Gesichter.
Versicherungen bezahlen zuerst die Vermittler – von Ihren Beiträgen!
Dies resultiert in erster Linie daraus, dass die Unternehmen die zu Beginn der Versicherung fällig werdenden Prämien oft dafür verwendeten, die an den Vermittler gezahlte Provision wieder hereinzuholen. Für die Ansparung von Kapital blieb dann natürlich wenig bis nichts mehr übrig. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen bei vorzeitiger Beendigung auch noch sogenannte Stornoabzüge einbehalten werden.
Bundesgerichtshof hilft Verbrauchern
Dem hat im letzten Jahr der Bundesgerichtshof einen Riegel vorgeschoben. Er hat entschieden, dass die Kapitalbildung von Anfang an auch bei den Versicherungsnehmern stattfinden muss und nicht nur
bei den Versicherungsgesellschaften und ihren Vermittlern. Dieser Zweck darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass teils hohe Abschlusskosten in den ersten Jahren mit der Prämie so verrechnet werden, dass der Rückkaufswert unverhältnismäßig gering ist oder gar gegen Null tendiert. Nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2012 sind die Klauseln, welche einen Stornoabzug vorsehen, bei vielen Versicherern generell unwirksam. Die hierauf entfallenden Beträge sind dann in jedem Fall zu erstatten. Darüber hinaus steht dem Versicherten bei vorzeitiger Beendigung seines Vertrages aber auch zumindest eine Summe zu, die in etwa der Hälfte der eingezahlten Beiträge entspricht (sogenannter „Mindestbetrag“).
Wer kann von den Urteilen des BGH profitieren?
Die Entscheidungen betreffen grundsätzlich
• Versicherungsnehmer, die zwischen Mitte 1994 und Ende 2007 kapitalbildende Lebens- oder Rentenversicherungen abgeschlossen haben und
• diese bereits gekündigt oder prämienfrei gestellt haben oder dies beabsichtigen.
Diese Personen sollten prüfen, ob ihnen ein „Nachschlag“ zusteht und ggf. einen fachkundigen Rechtsanwalt zu Rate ziehen. Erfahrungswerte zeigen, dass mit durchschnittlich 500 € pro Vertrag gerechnet werden kann!
Aber Vorsicht!
Achten Sie auf die Verjährungsfrist. Diese beträgt drei Jahre, gerechnet ab dem Ende des Jahres, in dem der Vertrag durch Kündigung endete oder eine Beitragsfreistellung wirksam wurde. Das heißt konkret: Nachzahlungsansprüche aus Verträgen, die im Jahre 2009 oder früher geendet haben, sind in aller Regel bereits verjährt. Verbraucher, deren Verträge in 2010 gekündigt oder prämienfrei gestellt wurden, sollten schleunigst tätig werden und die drohende Verjährung vor Ablauf des Jahres 2013 hemmen.