Seine Kritiker schätzen den heute 74-jährigen Rabenäußiger Dr. Jörg Stricker eher als unbequem ein. Der parteilose Dipl.-Chemiker ist seit 2009 gewähltes Kreistagsmitglied in der SPD-Fraktion und bringt mit seiner Meinung über die zukünftige Entwicklung des Landkreises Sonneberg die Kreisverwaltung häufig in Erklärungsnot, wie er selbst gern bestätigt.

 Als Sonneberger Betriebsleiter des Spielzeugkonzerns Simba-Dickie Group, die zu den Top Five der Spielwarenbranche weltweit zählt, hat er das Sonneberger Logistik- und Servicezentrum an der Mittleren Motsch mit 12 Mitarbeitern aus dem ehemaligen Spielzeuginstitut 1990 gegründet und schrittweise bis zu seiner Pensionierung 2006 zu einer Betriebsgröße mit 110 Beschäftigten auf einer Fläche von elf Hektar entwickelt. Bei seinen Mitarbeitern hat sich Stricker große Sympathien und bei der Konzerngeschäftsführung Anerkennung erworben.

 

Herr Dr. Stricker, schätzen Sie sich selbst als unbequem ein?

Dr. Jörg Stricker: In meiner 40-jährigen Berufstätigkeit habe ich ununterbrochen in unterschiedlichen Führungspositionen gewirkt. Ich versuche, die anstehenden Aufgaben stets sachlich und tiefgründig zu analysieren, die betriebswirtschaftlichen und ökonomischen Zusammenhänge zu ergründen und die Ergebnisse der Überlegungen schnörkellos auf den Punkt zu bringen. Das Resultat und die daraus entstehenden Konsequenzen und Kritiken sind zwangsläufig nicht immer angenehm und bequem.

Was raten Sie Menschen, die mit Ihnen zusammenarbeiten?

Dr. Jörg Stricker: Ich bin gern für einen sachlichen Disput mit klaren, unmissverständlichen Worten und belegbaren Zahlen zu haben, der ohne Ausflüchte und nur der Sachlichkeit verpflichtet direkt des Pudels Kern anvisiert. Mich ärgern Ausflüchte, Ausreden und Geschwätz. In der Naturwissenschaft wie in der Wirtschaft gilt, aus dem sachlichen Widerspruch und der Kritik erwächst der Fortschritt.

Was wünschen Sie sich heute als Bürger des Landkreises Sonneberg von den Stadt-, Gemeinde- und Kreisoberhäuptern?

Dr. Jörg Stricker: Es ist völlig klar, dass das hochverschuldete Land Thüringen ohne konsequente Verwaltungs- und Gebietsreform nicht in der Lage ist, mehr Geld in die Kommunen und Kreise zu pumpen. Zwangsläufig ergibt sich daraus jetzt die Konsequenz, die Verwaltungen und die Kosten in den Gemeinden, Städten und Kreisen der stark geschrumpften Bevölkerung und der niedrigeren Finanzzuführungen anzupassen, also auch abzubauen.

Noch bei der Erarbeitung des Landkreishaushaltes 2012 verkündete die Landrätin stolz, dass die Verwaltung die niedrigste Zahl von Angestellten aller Thüringer Kreise hat. Leider trifft genau das Gegenteil zu, wie das Statistische Landesamt belegt. Im Vergleich mit den Verwaltungen der 17 Thüringer Kreise belegen wir nur Platz 14 und müssten, um nur den Mittelwert aller Kreise zu erreichen, über 12 % weniger Beschäftigte haben. Im Vergleich zum führenden Kreis ist unsere Verwaltung ein Drittel zu groß. Jetzt bei der Diskussion zum Haushalt 2014 steht die Landkreisverwaltung gehörig unter Druck, weil der weitere Anstieg der Kreisumlage und unverändert sehr hohe Personalkosten die Städte und Gemeinden des Kreises bis an oder sogar über die Erdrosselungsgrenze finanziell belasten, den erheblichen Sanierungsstau der Schulen nur marginal abbauen und die weitere Sanierung des Museums verhindern.

Wie sind Ihre Wünsche als Kreistagsmitglied?

Dr. Jörg Stricker: Die Legislaturperiode 2009/2014 geht im Juni zu Ende. Ich hoffe, dass in der verbleibenden Zeit ein akzeptabler Haushaltsentwurf für den Kreis vorgelegt wird und beschlossen werden kann. Ein Schulnetzplan ist jetzt nach meiner Meinung so lange Makulatur, bis es gelingt, die Verwaltungskosten nachhaltig zu senken und so den Haushalt vom Kopf auf die Füße zu stellen. Erst wenn klar ist, welche Schule wann und wie saniert und welche neu gebaut oder geschlossen werden soll und vor allem wo das Geld herkommt, entsteht fast schon automatisch ein Schulnetzplan.

Sind unsere Gemeinden, Städte und der Landkreis für die sich verändernde Zeit gerüstet?

Dr. Jörg Stricker: Die demografische Entwicklung und Überalterung der Bevölkerung verlangen mehr Berücksichtigung und Konsequenzen. Leider wurde im Landkreis immer noch kein strategisches Konzept erstellt, wie es die Landrätin nach ihrer Wahl 2012 versprochen hat, in dem die wichtigsten Ziele und Schwerpunkte der Entwicklung des Kreises für die nächsten Jahre aufgelistet werden. Angesichts der demografischen Entwicklung und der finanziellen Notlage des Kreises sind die wenigen Anfangsversuche für ein solches Konzept nicht geeignet, bald eine Prioritäten-Liste der zukünftigen Investitionen und freiwilligen Leistungen des Kreises zu entwickeln.

Der öffentliche Personennahverkehr im Landkreis und speziell die OVG erfüllen schon lange nicht mehr die gesetzliche Vorgabe, Daseinsvorsorge beim Personentransport zu betreiben. Die Zahl der Fahrgäste ist dramatisch gesunken und der Fahrplan nicht weniger stark zusammen gestrichen worden, ohne dass die Zuschüsse zurückgegangen sind. Die notwendigen Maßnahmen wurden bisher nicht umgesetzt. Ein Qualitätssprung ist leider nicht erkennbar. Die Erfurter Regierung und der Landtag haben sich nicht getraut, die Kreise zusammen zu legen und die Gemeinden gezielt zu fusionieren, um Kosten zu sparen. Deshalb sollten die Gemeinden und Städte des Kreises sich bald zusammenraufen und selbst tätig werden. Was die Gemeinderäte und Stadtverordneten zusammen mit ihren Bürgern eigenständig bestimmen, kann nicht entgegen den Wünschen der Bürger von Erfurt aufgepfropft werden.

 Wie sollte der Landkreis künftig aufgestellt sein, um attraktiv zu sein?

Dr. Jörg Stricker: Jede Mitwirkungsmöglichkeit der Bürger an der Vorbereitung der Entscheidungen und Beschlüsse des Kreistages war bisher nicht erwünscht. Das Internet erlaubt jetzt fast ohne Aufwand alle Vorhaben, Maßnahmen, Beschlussvorlagen, Haushalte und Pläne bekannt zu machen und die Meinungen und Kritiken der Menschen vor der Verabschiedung einzuholen. Von einer wirklichen Bürgerbeteiligung, einer echten Bürgerdemokratie sind wir leider noch meilenweit entfernt.

Ich würde mir wünschen, dass sich alle Kultureinrichtungen des Kreises in einem Kooperationsverbund zusammenbinden lassen, wie es Schmalkalden-Meiningen vormacht, um Kräfte und Finanzen zu bündeln. Für das Spielzeugmuseum erhoffe ich die schnelle Verwirklichung der Kernaufgabe jeden Museum-Marketings, nämlich die Ausstellung an den Wünschen, Vorstellungen und Erwartungen der Besucher über ein modernes Museum zu orientieren. Leider findet sich dieses zentrale Marketingziel, das gleichzeitig zwangsläufig der Arbeitsschwerpunkt der Museumsleitung wäre, nicht mal in der Museumssatzung und ganz und gar nicht in der Ausstellung im Hauptgebäude wieder. Das eigentliche Museum strahlt auch mit der neuen Museumsleitung gähnende, besucherabwehrende Langeweile aus. Eine attraktive Ausstellungspräsentation hätte längst wegen der gescheiterten großen 10 Mio. Euro-Sanierung in den unsanierten Räumen begonnen werden müssen. Der neue Anbau mit der sanierten Kirmes ändert an dieser Wahrheit leider gar nichts.

Auch das „Klein, Klein“ im Tourismus des Kreises sollte einer konzertierten Aktion aller Gemeinden, Städte und des Kreises Platz machen, damit wir überhaupt nur ein wenig angesichts der riesigen Konkurrenz bemerkt werden.

 Wir danken für das Gespräch.